19.10.16 - 21.10.16 - Battambang - Wie aus einer Enttäuschung ein Highlight wurde
Zwischenstopp - eine Nacht hätte nicht gereicht
Plötzlich hielt das Schiff. Die Bootsleute forderten uns zum Aussteigen auf. "Hier sollen wir aussteigen?" fragten wir nach, doch achselzuckend schauten uns die Kambodschaner, sie sprachen kein Englisch, an. Am viel zu kleinen Anlegesteg winkten aufgeregt zahllose Arme, es wurde geschrien: "TukTuk Battambang, Mister," "Where do you want to go?" und anderes mehr hörten wir aus dem Stimmengewirr. Eigentlich gab es kaum Platz zum Aussteigen, so voll war der Steg mit TukTuk-Fahrern.
Einer am Steg sprach Englisch und erklärte uns, während wir noch auf dem Bug des Bootes standen, das Wasser sei so hoch, dass das Schiff nicht nur alle Brücken passen würde. Eine Fahrt bis zum Bootsanleger in Battambang sei deshalb nicht möglich. Wir hörten heraus, dass es bis nach Battambang zehn Kilometer sein sollten. Inzwischen rissen die auf dem Steg schreienden TukTuk-Fahrer die Rucksäcke, die vom Boot auf den Steg gereicht wurden, an sich. Offenbar hofften sie, einen der Säcke zu erwischen und gleichzeitig damit einen Kunden zu aquirieren.
"Das fängt ja gut an", dachten wir uns. Irgendwie schaffte ich es, Gitti ihren Rucksack auf den Steg zu reichen. Ich setzte meinen noch an Bord auf, wartete geduldig, bis sich das Gedränge aufgelöst hatte und schaffte es, ohne das mich eine der helfenden Hände griff, auf den Steg zu gelangen. Ungläubig schaute ich, als mir einer der TukTuk-Fahrer ein Schild mit meinem Namen zeigte. "Hatte ich das Hotel um einen Abholservice gebeten", überlegte ich. "Nein", war ich mir sicher.
Die Angelegenheit klärte sich auf, als wir in das TukTuk stiegen. Das Hotel hatte unsere Namen dem Fahrer preisgegeben. Der wiederum hatte verschiedene Möglichkeiten, wo wir ankommen könnten, abgefahren. Zum Schluss wartete er erfolgreich am Bootsanleger. 8 $ kostete uns die 10 km Fahrt zum Hotel. Unsere zweite Unterkunft, das Vimean Sovannaphoum Resort, war wieder sehr gut.
In einem der ärmsten Länder der Welt ließ sich für rund 15 € pro Person inklusiv Frühstück wirklich gut nächtigen. Gleichwohl offenbarte der westliche Blick einige Unzulänglichkeiten: Die Badewanne war nicht mit Silikon abgedichtet, wird also bald schimmeln, einige Lampen funktionierten nicht oder flackerten. Dafür hatten wir ein großes Zimmer mit Kühlschrank und einen mechanischen Safe mit altmodischen Drehknöpfen.
Battambang ist Verwaltungs-Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, etwa 290 Kilometer nordwestlich von Phnom Penh. Rund 250000 Menschen leben in Battambang, die Provinz zählt fast eineinhalb Millionen. Battembang ist eine junge und bildungshungrige Stadt. Gleich zwei Hochschulen und Universitäten beherbergt Battambang: Die University of Battambang und die University of Management and Economics. Battambang gilt als eine Stadt der Zukunft mit viel Potential für eine rasante Entwicklung.
Sollte sich Battambang also als Überraschung entpuppen? Das Stefan Loose Travelbook bezeichnet die Stadt als "beschaulich" mit den am "besten erhaltenen Handels- und Kolonialgebäuden" Kambodschas. Wir konnten dieser Vorstellung unserem Ermessen nach durchaus zustimmen, das Stadtbild erweckte jedoch nicht unsere Begeisterung. Dafür konnten wir relativ unbehelligt von TukTuk-Fahrern noch am Ankommenstag einen kurzen Stadtrundgang unternehmen, unsere Weiterfahrt bis Koh Rong Samloen organisieren und den nächsten Tag planen. Und der wurde vielversprechend. Wir waren froh, uns für zwei Übernachtungen entschieden zu haben.
Wie eine Fünfdollarnote für Aufregung in zwei Banken führt
Der Wachmann erlaubte mir, die Bank zu betreten. Auch wenn ich nicht gerade salonfähig aussah, war ich immerhin ein Tourist. In der Bank war ich der einzige Kunde. Eine gepflegte Khmer in adretter Bankuniform fragte mich nach meinem Anliegen und geleitete mich zum Schalter. Skeptisch betrachtete die junge Frau hinter dem verglasten Banktresen meinen etwas älteren Fünfdollarschein. Sie drehte die Geldnote mehrmals um, hielt sie gegen das Licht und holte sich schließlich Beistand. Nein, sie könne das Geld nicht in eine neue Fünfdollarnote umtauschen. Freundlich und etwas hilflos geleitete mich die Empfangsdame der Bank wieder hinaus.
In der zweiten Bank äußerte ich mein Begehren etwas nachdrücklicher. Eine offenbar höhere Angestellte kam in den Kundenraum und klärte mich auf. Die kambodschanische Notenbank würde den Schein nicht zurücknehmen. Sie gab zu, dass mein Geld zumindest in Kambodscha wertlos sei. Grund: Ein kleiner Riss an der oberen Seite von etwa einem halben Millimeter Länge.
In Kambodscha sollte man auf den Zustand aller Dollarnoten achten. Nur die Eindollarnoten sind relativ unproblematisch. Sie sind das häufigste Zahlungsmittel. Insbesondere für Touristen ist ein Dollar gewissermaßen ein Mindestpreis, vieles kostet einfach einen Dollar.
Eigentlich hatten wir überlegt, den TukTuk-Fahrer, der uns vom Anleger abgeholt hatte, eventuell in Anspruch zu nehmen. Jetzt waren wir ein wenig sauer: Hatte ich ihm tatsächlich unwissentlich einen alten Fünfdollarschein für seine Dienste untergejubelt? Warum hat er als routinierter TukTuk-Fahrer das bei der Bezahlung nicht schon bemerkt? Sicher war ich mir nicht. Deshalb gab ich nach und tauschte den Schein um. Dennoch: Es blieb ein bitterer Beigeschmack. Später bezahlten wir Lyly mit dem Schein. In sein Coconut Lyly kämen viele Touristen, auch Amerikaner, beruhigte er uns. Denen könne er den Schein als Wechselgeld zurückgeben.
Eine Radtour, die uns tiefe Einblicke gewährte
Land hatte die kambodschanische Familie aus einem ländlichen Vorort von Battambang nicht mehr. Sie waren damals, vor knapp 37 Jahren, zu spät gekommen. 1979 war der Vater gerade 20 Jahre alt und hatte die Schreckensherrschaft der Khmer Rouge überlebt. Ihr Land hatte sich eine andere Familie unter den Nagel gerissen. Ohne Land war das Überleben sehr schwer, denn es gab keine Arbeitsplätze.
In der Not begann der junge Mann Reispaper herzustellen. Rund, etwa 20 cm im Duchmesser und so dünn, dass man hindurch blicken kann. Alle Rohstoffe muss die Familie bis heute zukaufen. Der Familienvater ist mittlerweile 55 Jahre alt, durchtrainiert, sehr schlank und fast faltenlos. Er wirkt viel jünger, wenn er im hohen Tempo den dünn ausgerollten Reisteig auf die Trocknungsgestelle auslegt. Die tropische Sonne sorgt für schnelle Trocknung. Die Cousine legt die wie Plastik aussehenden Rundlinge in Körbe.
Bis heute sind sie arm geblieben. Etwa 1000 Reispapers zur Herstellung von Frühlingsrollen produziert der Familienbetrieb und erzielt damit einen monatlichen Umsatz von etwa 750 $. Davon müssen die Rohstoffe und einfache mechanische Produktionsgeräte bezahlt werden, der Roller zur Auslieferung der Produkte. Von dem Rest, etwa 500 $, müssen fünf arbeitende Familienmitglieder leben. Das hüttenähnliche Haus ohne Fenster steht auf Stelzen, darunter wird produziert, barfuß laufen sie über den gestampften Boden, in der Regenzeit schrumpfen die Einnahmen. Grund: Wenn es regnet, kann die Sonne die Rohlinge nicht trocknen.
Wir waren mal wieder mit dem Fahrrad unterwegs. Der Fahrtwind kühlte unsere Körper, die in der feuchtheißen Hitze der ausgehenden Regenzeit schwitzten. Ohne Pizal, unserem Guide von Eco Bike Tour, hätten wir den Weg nicht gefunden. Pizal sprach sehr gut englisch und erzählte uns kenntnisreich über die Zeit der Khmer Rouge sowie über Probleme und Leben auf dem Land.
Pizal studiert an der Universität von Battambang englische Literatur. Sein gutes Englisch hat er allerdings durch seine Tätigkeit mit den Touristen gelernt. Englisch sprechen würden die Studenten an der Uni nicht lernen, so Pizal. Es gäbe auch zu wenig Englischlehrer. Die Khmer hatten während ihrer Schreckensherrschaft die ganze Bildungselite ermordet. Deshalb begleitete uns ein Student, der zwar Englisch studiert, aber nicht Englisch sprechen kann. Im Umgang mit den Touristen soll er seine Sprechfähigkeit schulen. Eine junge Englischlehrerin war auch dabei. Sie sprach hingegen gut Englisch, war sehr offen und wollte zusätzlich in den Ferien als Guide arbeiten. Grund: Wegen des sehr geringen Lehrergehalts muss sie ihr Einkommen aufbessern.
Das Bikefahren erwies sich mal wieder als optimale Kombination zwischen zügigen Vorankommen und den Möglichkeiten, Eindrücke zu sammeln und die Umgebung zu erleben. Rund 25 Kilometer legten wir in etwa 4 Stunden zurück. Auf unserer Tour hatten wir die Herstellung von Reispaper, Reisschnaps, Bananenfladen und Sticky-Reis, der übrigens ein beliebter Süßsnack ist, kennengelernt. Am Ende der Tour machten wir Rast bei einer Familie, die sich auf die Biketours eingestellt hatte und uns in ihrem "Wohnzimmer" mit Früchten und Fruchtdrinks bewirtete.
Wie üblich befand sich der Wohnbereich unter dem auf Pfeilern stehenden Haus, der Boden war gestampft, die Fläche mit Fernseher, Hängematten, einigen Tischen und Stühlen möbliert. Ein klein bisschen kambodschanischen Wohlstand strahlte das Ambiente aus, ein Symbol dafür war das Smartphone, mit dem die Tochter des Hauses spielte, während sie ihr Baby in der Hängematte schaukelte. Drei Generationen wohnten hier wie selbstverständlich zusammen.
Zuvor machten wir Stopp bei einer Familie, die Dried Bananas erstellte. Während der Mann als Bauarbeiter arbeitete, betreute die Frau die Kinder und schnitt geschickt kurze Süßbananen in hauchdünne Längsscheiben, die überlappend zu Rechtecken von ca. 10 cm mal 40 cm gelegt wurden. Ohne Zusatzstoffe werden die Bananen in der heißen Tropensonne getrocknet. Dabei verkleben sie und es entstehen dünne und süße Bananenfladen, die etwa 3 bis 4 Monate haltbar sind. Wir kauften von dem nachgefragten Snack 2 Pakete mit jeweils 10 Fladen für 4 $. Teile davon nahmen wir sogar noch mit nach Hause.
Die Familie erzielt damit ein gutes Einkommen, zumal die Bananen von einer eigenen kleinen Bananenplantage stammen. Sie gehört zu den Gewinnern. Denn 1979 waren sie nicht zu spät zurückgekehrt und erhielten Land, das heute ihre Einkommensbasis erheblich verbessert.
Schade, dass unsere Reise nach Kambodscha nur 2 Wochen dauerte. In der Umgebung von Battambang wäre noch viel zu entdecken gewesen. Gerne hätten wir auch noch einige Rollertouren unternommen.
Wie aus einem Kochkurs das beste Essen wurde
Routiniert ging LyLy über den lokalen Markt in Battembang. Genauso routiniert filetierten einige Fischverkäufer ihre Fische, die aus dem Sangker oder aus dem Tonle Sap stammten. Zielgerichtet steuerte Lyly mit uns und Jan, einem Belgier, der sich eine dreimonatige Auszeit gönnte und der sich ebenfalls für die heutige "cooking class" angemeldet hatte, zu einer Kokosmilchpresse: Mutter und Tochter produzierten mit einer altmodischen mechanischen Presse eine leckere Kokoscreme. "Die beste Kokoscreme, die wir hier bekommen können", war sich Lyly sicher. Lyly bekam als Kambodschaner natürlich andere Preise als wir sie als Touristen bekommen würden.
Der Markt von Battembang ist ein typischer südostasiatischer Markt. Hier gibt es alles kulinarische, zumindest im Sinne der Einheimischen. Das Gemüse ist knackig und aus europäischer Sicht unbedenklich. Das Fleisch hingegen liegt in der tropischen Hitze, Kühlung gibt es nicht. Da wirken die Versuche der Verkäufer, Fliegen und anderes Getier mit Federn und Fächern zu vertreiben, wenig beruhigend. Vogelspinnen, Skorpione und anderes exotisches Essen sind für unsere europäischen Gemüter sowieso eher eine Mutprobe als eine leckere essbare Speise. Auch die dem Tode geweihten Fische, die im warmen Wasser von Plastikschüsseln ihren letzten Minuten entgegentreiben, werden oft auf recht brutale Art zubereitet. Ich sah, wie eine Fischverkäuferin erst die Flossen abschnitt, dann den Fisch aufschlitze, um bei lebendigen Leib die Innereien nebst Schwimmblase zu entfernen.
Kochen steht bei uns jederzeit im Mittelpunkt. Reisen haben meinen Horizont für das Kochen erweitert, viel Neues habe ich ausprobiert, südamerikanisch oder vor allem auch südostasiatisch. Ein Zwischenstopp in Thailand lohnt sich allein schon wegen des Essens. Während die Thais gerne sehr spicy (scharf) kochen, ist das kambodschanische Essen viel milder. Was für die Kambodschaner spicy ist, ringt einem Thai nur ein müdes Lächeln ab. Dennoch: Das kambodschanische Essen hat durchaus seinen Reiz. Das erfuhren wir während einer cooking class.
Kochabende werden in Südostasien vielerorts für Touristen angeboten. Auch wenn wir immer wieder darüber nachgedacht hatten, gab es bislang dazu keine Gelegenheit. In Battembang sollte sich das endlich ändern. Im Stefan-Loose-Reiseführer wurden zwei Restaurants mit Kochkursen empfohlen. In einem Kambodscha Blog lasen wir von Lyly und seinem kleinen Restaurant Coconut Lyly. Seine cooking class wurde in höchsten Tönen gelobt. Und das sollte sich bestätigen.
Lyly hatte Fisch und Hähnchen bereits zuvor eingekauft. Akkurat achtete er auf Sauberkeit und Hygiene, nach westlichen Standards. Unser Menü für diesen Abend hörte sich vielversprechend an: Vorspeisen: Chicken Tom Yum Soup, Fried Spring Rolls; Hauptspeise: Fish Amok bzw. Hähnchen Amok; Nachspeise: Coconut Lyly. Mit großer Ruhe, Charme und Bestimmtheit zeigte er uns die Zubereitung und jene Tricks, die die Speisen so besonders machen. Lyly war wirklich ein guter Lehrer.
Lyly hat in Siem Reap eine Kochschule absolviert. Jetzt baut er sich in Battembang, seiner Heimatstadt, eine Existenz auf. Seine ganze Familie arbeitet, wie es in Kambodscha häufig der Fall ist, mit. Wir waren froh, Gäste von Lyly gewesen. Das selbstgekochte Essen war das beste unserer diesjährigen Reise. Danke Lyly! Wir wünschen dir viel Erfolg mit deiner Coconut Lyly.