26.10.16 - 28.10.16 - Phnom Penh - Stolz und Trauma Kambodschas

 

Eine Busfahrt - Unter Einheimischen im Virak Buntham Express

 

Wir schlenderten die steile Straße hinauf, die direkt vom Anleger Sihanoukville in die Stadt führte. Beidseitig war die Straße von Agencys, Restaurants, einfachen Hotels und Geschäften gesäumt. Unser Gepäck hatten wir im Office von Virak Buntham gelassen. Rund zwei Stunden bummeln, eine Suppe essen und Kaffee trinken und auf den Toyota Hiace Series VIP Minivan warten, der uns von 13:30 - 17:30 für 20 $ nach Phnom Penh bringen sollte, war unser relaxter Zeitvertreib. Ein letzter starker Regenfall erinnerte uns daran, dass die Regenzeit in Kambodscha noch nicht ganz zu Ende war. So waren wir erholt genug, um eine der schlimmsten Busfahrten seit langer Zeit zu überleben

 

Das digitale Zeitalter hat trotz weit verbreiteter Armut auch in Kambodscha begonnen. Während viele noch mit aus unseren Augen veralteten Handys telefonieren, verbreiten sich immer mehr Smartphones, China macht es möglich. Und genau diese Verbreitung war die Ursache für eine Fahrt nach Phnom Penh, die in Bezug auf das Störpotential maximale Werte erreichte. Während der Fahrer sich laut mit seinem Sitznachbarn unterhielt, schaltete sich regelmäßig lauthals ein hinter uns sitzender Khmer in die Unterhaltung ein.

 

Neben ihm saß ein ungepflegter Kambodschaner, der, um telefonisch verstanden zu werden, in sein Handy schrie. Rechtsaußen klingelte ein Handy. Der Angerufene nahm ab, bevor das Telefon ein zweites Mal klingeln konnte, um seinerseits verstärkend in die Lärmkulisse einzugreifen. Auf der Rückbank schaltete sich ein weiterer Handybesitzer ein, der augenscheinlich glaubte, die Choreografie sei erst durch seine Beteiligung vollständig. Ich kramte meinen MP3-Player heraus, doch gelang es mir nicht, das Kreuz und Quer der in einer fremden Sprache gewechselten Wörter durch Musik zu überspielen. Die einzige Abwechslung bestand darin, dass die Rollen der Protagonisten tauschten.

 

Wir waren die einzigen Touristen, Flucht war ausgeschlossen, schließlich mussten wir unser Ziel Phnom Penh erreichen. Angekommen empfanden wir alles als Erholung, selbst den Gestank und das Chaos der einst schönsten Stadt Südostasiens: Phnom Penh.

 

Wir sind in der Pflicht

 

Schon bei unserer Durchreise, von Battembang kommend und Richtung Süden nach Sihanoukville fahrend, hatten wir jene Blechkasernen gesehen, die kilometerweit Phnom Penh ankündigen. Jetzt sahen wir sie wieder. Es war 17 Uhr und offenbar gerade Schichtwechsel: Busse, Minivans und Roller erzeugten ein regelloses Verkehrschaos, dass unsere Weiterfahrt zu einem Geduldsspiel machte. Frauen in Badelatschen warteten vor jenen Blechkasernen auf die Abfahrt: Hier wird die Kleidung für die Welt genäht. Monatslohn nur wenig über 100 $ im Monat. 400 $ braucht eine Kleinfamilie hingegen zum Überleben.

 

Die Foodloose-Industry hat sich hier angesiedelt, weil Kambodscha, ähnlich wie Bangladesh, höchste Renditen für Unternehmer und Aktionäre verspricht. Demonstrationen für höhere Löhne, 200 $, immer noch zu wenig, forderten die Textilarbeiterinnen. Mit Hilfe der Regierung unter Ministerpräsident Samdech Hun Sen wurden die Aufstände im Keim erstickt. Samdech Hun ist seit 1985 Ministerpräsident. Schon bei den Roten Khmer war er Kommandeur eines Regimentes in der Verwaltungszone Ost. Heute ist er mit mehreren 100 Millionen Dollar der wohl reichste Ministerpräsident der Welt, Familienmitglieder besetzen wichtige Schlüsselpositionen in Wirtschaft und Politik. Ein Schelm, wer da böses denkt.

 

Wir wissen alle um die vielerorts prekären Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie. In Kambodscha habe ich es direkt erlebt, hautnah. Ich versuche jetzt nur noch Kleidung zu kaufen, die nachweislich ökologisch unbedenklich und unter kontrollierten sozialen Standards hergestellt ist - und hoffe, dass die Menschen endlich aufwachen und gemeinsam für faire Arbeitsbedingungen und fairen Handel eintreten. Dass die Nachfrage nach billiger Kleidung ungebrochen und das vorrangige Ziel vieler Konsumenten überfüllte Kleiderschränke sind, gleichzeitig Billigtextilketten einen wahren Boom erleben, stimmt mich im Moment aber noch sehr pessimistisch. Ausbund dieser Entwicklung sind die Primärkte: T-Shirts für einen Euro, da ist das Waschen teurer als ein neues T-Shirt. Kleidung verkommt zur Wegwerfware.

 

The Teahouse - Eine Insel der Ruhe oder die Schere zwischen arm und reich

 

Wir schritten durch das kleine Tor in der Mauer, die das Teahouse von der Okhna Pich Street, trennte: Hier begann die Welt des Teahouse Urban Hotels, die so ganz anders war, als die des üblichen Phnom Penhs. Das Hotel, das recht zentral in einer der besseren Gegenden der kambodschanischen Hauptstadt liegt, war für unsere zwei letzten Nächte in Kambodscha ein angenehmer Ausklang, gewissermaßen unsere Insel im chaotisch-quirligen Phnom Penh, wo an einigen Spots keine Luft zum Atmen bleibt. TukTuk-Fahrer warteten mit ihren einfachen "Mopedkutschen" vor dem Hotel. Ihnen war es verboten, das Hotel zu betreten. Wie immer war es uns unangenehm, als Hotelboys unsere staubigen Rücksäcke von unseren verschwitzten Rücken nahm.

 

Dennoch genossen die TukTuk-Fahrer ein gewisses Privileg: Sie waren quasi zertifiziert durch das Hotel, boten uns also die Sicherheit eines relativ sicheren Transports. Eine Preisliste, die in einem Rahmen an der Außenseite der Mauer hing, bewahrte uns gleichzeitig vor überhöhten Preisen.

 

Das Innenleben des Teahouses (www.maads.asia/teahouse/accommodation) zeugte von einem hohem Standard: Großzügigkeit, geschmackvolle Einrichtung, hervorragendes Frühstück und ein gutes Restaurant. All dies ist für die meisten Kambodschaner unerreichbar.

 

Zwei intensive Tage erlebten wir in Phnom Penh. Während unseres Stadtrundganges sahen wir Prunk Und Armut nebeneinander: Königspalast, Mekongpromenade, buddhistische Tempel, prunkvolle öffentliche Gebäude neben notdürftigen Unterkünften, in denen sich die Bewohner drängen, marode kleine Wohnschiffe auf dem Mekong oder jene Familie, die offenbar keinen Zugang zu sauberen Wasser hatte und sich im Mekong waschen musste.

 

Gleichzeitig sahen wir, dass die Warnung des Außenministeriums vor Diebstählen in Phnom Penh seine Berechtigung hatte. Jederzeit trug ich meine Kamera gesichert vor dem Bauch. Als wir die Mekongpromenade, die eigentlich Fußgängern vorbehalten ist, während unseres Stadtrundganges entlang spazierten, passierten uns immer wieder Jugendliche auf ihren Rollern. Gezielt rasten sie die Promenade entlang, jederzeit bereit, Taschen und Kameras den Touristen zu entreißen. Ihre Tätigkeit hatte den Dieben offenbar einen gewissen Reichtum verschafft.

 

Über Luxusschlitten, Einkaufszentren und den Prunk eines Königshauses

 

Porsche Cayenne, Audi Q8, Mercedes G-Klasse, Mercedes GLC, Lexus LX 570 und andere Dickschiffe der automobilen first class drängelten sich durch die viel zu engen Straßen von Phnom Penh. So eine Häufung von Bonzenautos in einem Entwicklungsland hatten wir bislang noch nicht erlebt. Gleichzeitig hatte jene upper class, die sich die automobile Unvernunft leisten kann, offenbar das vermeintliche Recht in Anspruch genommen, beliebig zu parken. So sind jene knappen Fußwege vielerorts zugeparkt und zwingen die Fußgänger auf die Straße zum Slalomlauf zwischen den Akteuren des rollenden Verkehrs.

 

Danach kam lange nichts.... der übrige Beitrag zum allgegenwärtigen Verkehrschaos wurde durch die zahlreichen Roller und die nach Kundschaft spähenden TukTuks geleistet. Übrigens: Ampeln, Fußgänger-überwege oder eine sichtbare Logik von Verkehrsregeln entdeckten wir nicht.

 

Phnom Penh, zu Zeiten der Khmer Rouge verlassen, ist noch immer auf der Suche nach der eigenen Identität, so schien es für uns. Der Kampf um das Überleben, informelle Dienstleistungen und der Versuch, das Überleben mit eigenen kleinen Geschäften oder als Motorradtaxi- oder TukTuk-Fahrer zu sichern, sind allgegenwärtig. Dazu prangt der Königskult mit Palast, Bilderpräsentationen und dgl. mehr in der besten Gegend Phnom Penhs in Ufernähe zum Mekong. Gegensätze, wie wir sie in Phnom Penh wahrnahmen, hatten wir zuvor in noch keiner Stadt eines Entwicklungslandes in dieser Ausprägung kennengelernt.

 

Das ist sicher ein sehr subjektiver Eindruck, mit dem wir gleich zu Beginn unseres Phnom Penh Aufenthaltes konfrontiert wurden. Eine freundlicher Rezeptionist im Teahouse dachte offenbar, wir als Europäer wünschen nur den Einkauf in einer Mall mit amerikanisch geprägten Konsumangebot. Dabei wollten wir nur einige Snacks und Trinken für den nächsten Tag kaufen und wären mit einem kleiner Khmer-Markt vollauf zufrieden gewesen, den wir übrigens am nächsten Tag ganz in der Nähe entdeckten. Stattdessen schickte er uns, als wir nach einer kleinen Einkaufsmöglichkeit fragten, mit einem TukTuk zu einer Mall, die aus einer anderen Welt zu kommen schien. Die Parkflächen waren mit hunderten oben erwähnten Dickschiffen zugestellt.

 

In der Mall gab es alles, was das Westlerherz angeblich verlangt. Am Halloweenstand sahen wir uns in die USA versetzt, dicke Kinder freuten sich über die kitschigen Verkleidungen, Erwachsene machten Selfies, während zwei junge Frauen in sommerlicher Westkleidung und mit blond gefärbten Haaren an uns vorbeiflanierten. Hier war alles teurer, auch die heimischen Bananen. Wer seinen Status zementieren möchte, glaubt dies offenbar durch einen teuren Einkauf zu erreichen.

 

Nachdenklich verließen wir den Konsumtempel der kambodschanischen Schickeria, um zu Fuß dem Tipp des Teahouse-Rezeptionisten zu folgen. Denn wir hatten Hunger. Der Vorplatz des uns empfohlenen Restaurantes war wiederum von Luxuskarossen zugestellt. Das Restaurant war voll. Die Bedienung entschuldigte sich, dass nur noch Plätze im nicht überdachten Bereich frei seien. Schließlich könnte es noch regnen. Unsere verschwitzte, doch sehr saloppe Kleidung passte so gar nicht zum Outfit der anderen Gäste, die uns durchaus etwas irritiert musterten. Die Speisekarte versprach zwar gutes Essen, aber zu Preisen, die wir kaum bereit wären, in Deutschland in einem guten Restaurant zu bezahlen.

 

Ein Griff in mein Fjällräven-Reiseportemonnaie offenbarte mir die Rettung: Ich hatte meine Kreditkarte vergessen. Beim Rausgehen folgten uns skeptisch viele musternde Blicke.

 

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Mit weinendem Herzen über die Killing Fields

 

Phnom Penh, wie alle Städte Kambodschas, war 1975 bis 1979 eine Geisterstadt. Pol Pot, Chef der Roten Khmer wollte einen "Steinzeitkommunismus" etablieren, in dem Bildung, Hierarchien und städtisches Leben keinen Platz haben sollten. Keiner sollte etwas besitzen, selbst die Besitznahme einer Melone konnte den Tod zur Folge haben. Brutal, unnachgiebig und unberechenbar herrschte das Regime: Alte, Frauen, Kinder, Intellektuelle sowieso, niemand war seines Lebens sicher.

 

Zwei Millionen, einige Schätzungen gehen sogar von drei Millionen aus, fielen der brutalen Mordmaschinerie zum Opfer - in einem Land, das halb so groß wie Deutschland ist und rund 15 Millionen Einwohner hat. Ohne die systematische und organisierte Infrastruktur des Mordens und ohne gewissenlose, machtbesessene Psychopathen wäre das nicht möglich gewesen.

 

Ein Volk, traumatisiert zwischen Indochina, Vietnamkrieg und Rote Khmer, seit 1985 von Hun Sen als Ministerpräsident regiert, der wohl zu den reichsten Ministerpräsidenten weltweit zählt und bereits von 1975 bis 1977 Kommandeur eines Rote Khmer Regiments war, 1977 wegen ideologischer Auseinandersetzungen nach Vietnam floh und 1979 mit dem Einmarsch der Vietnamesen zurückkehrte, um von 1979 bis 1985 Außenminister von vietnamesischen Gnaden zu werden, hat seine Vergangenheit noch lange nicht bewältigt. Kein Khmer jenseits der 50 ist unbeteiligt, entweder als Opfer oder als Täter: Es gibt kaum eine Familie, die nicht direkt von dieser dunklen Vergangenheit betroffen ist.

 

Choeung Ek stand deshalb ganz oben auf unserer Phnom Penh Agenda. Jener ehemalige chinesische Friedhof 17 km südlich von Phnom Penh wurde als grausamer Exekutionsort der Roten Khmer bekannt, wo 17000 Menschen, darunter viele Kinder, auf grausamste, unvorstellbare Weise ermordet wurden.

 

Still, innerlich aufgewühlt und Tränen der Unbegreiflichkeit in den Augen, gingen wir, erdrückt von der grausamen Geschichte dieses Ortes, über die Wege der Gedenkstätte, die noch vor etwas über 40 Jahren das Ende so vieler unschuldiger Opfer bedeuteten. Im Zentrum der Gedenkstätte werden in einer buddhistischen Stupa 5000 Schädel von Opfern aufbewahrt, säuberlich sortiert nach den unterschiedlichen Kopfverletzungen, die ihnen von den Mördern einer der grausamsten Diktaturen der Neuzeit zugefügt wurden.

 

Choeung Ek ist das bekannteste von insgesamt 300 Killing Fields, eng verbunden mit dem Foltergefängnis von Toul Sleng in Phnom Penh, wo tausende zu Tode gefoltert wurden oder zur Tötung nach Choeung Ek gebracht wurden. Hier wurde die Tötung anonymisiert. Jeder Folterknecht war einem Bereich zugeordnet: 1. Erfassung, 2 Aufnahme und Einkleidung, 3. Folter und 4. Protokollierung der Inhaftierung und dergleichen mehr. So wurde den Schuldigen Unschuldigkeit suggeriert, aber gleichzeitig ein durch Fotos und Protokolle detailliertes Bild jener Schreckenszeit geschaffen. In Choeung Ek und Toul Sleng konnten wir einen kleinen Einblick in diese unbegreifliche Zeit erfahren.

 

In Choeung Ek und Toul Sleng - Klicke auf die Bilder zum Vergößern

 

Abschied von Phnom Penh oder TukTuk-Fahrer als Garanten für Pünktlichkeit

 

Konzentriert steuerte Sunak über die Kreuzung. Ampeln gab es nicht. Nur derjenige, der im richtigen Moment ein Loch zum Durchschlüpfen fand, hatte die Chance zum Durchkommen. Löcher fand Sunak immer wieder. Wie bei allen TukTuks Phnom Penhs waren wir durch ein Gitter vor Übergriffen gegen Rollerangriffe geschützt. Blitzschnell greifen die Diebe zu und versuchen Tasche, Kamera oder dergleichen zu ergaunern. An Kreuzungen ist die Gefahr besonders groß.

 

Sunak kannte sich aus, fuhr manchen Schleichweg. Wir erlebten letzte Einblicke so nah, wie sie nur ein TukTuk ermöglicht: So durchfuhren wir eine Straße, in der es nur Geschäfte mit Autoteilen jeder Art gab. Auf den Straßen erblickten wir Fahrzeuge jeder Art als Dokumente der sozialen Ungleichheit in Phnom Penh.

 

Der provinzielle Flughafen von Phnom Penh erwartete uns. Er ist viel zu klein für den expandierenden Flugverkehr, neben Touristen sahen wir jene reichen Kambodschaner, die sich der Armut ihres Landes jederzeit entziehen können.

 

Abschied von Phnom Penh - letzte Einblicke in die Hauptstadt Kambodschas

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