Der GR 20 Nord - Und wieder wird es nass - Teil 2
07.07: Etappe 4: Col de Vergio - Refuge de Manganu
Fast zwei Wochen mussten wir warten! Jeden Tag regnete und gewitterte es in den Bergen. Unsere Entscheidung, abzubrechen, war im Nachhinein richtig. Jetzt waren wir gespannt auf den Rest der Etappe. Wegen der Wetterlage hatten wir die Option, im Manganellotal auszusteigen, bereits ins Auge gefasst. Zudem kannten wir die Wanderungen am Monte d'Oro und an den sehr touristischen Cascade des Anglais sowie die Route von dort nach Vizzavona. Danach standen uns im Falle von schlechtem Wetter drei Etappen bevor. Angesichts der vorangegangenen Etappen gehörte die 4. Etappe eher zu den gemütlichen:
Start: 9.20 / Ankunft: 15:35 / Dauer: 6:15 (ausgiebige Pause am Ninosee) /
Aufstieg: 680 m / Abstieg: 450 m
Sebi, ein Mitglied des Neff-Clans, brachte uns zum Col de Vergio und wanderte mit uns zum Lac de Nino, einem Hochgebirgssee, den wir von einigen Wanderungen der Vorjahre bereits kannten. Blicke auf Monte Cinto, Paglia Orba und andere Hochgipfel Korsikas sind Highlights dieser Wanderung. Tatsächlich überkamen uns Glücksgefühle, Erinnerungen an frühere Zeiten, als wir mit unseren damals noch kleinen Kindern diese Wanderung unternahmen (Bilder davon hängen in unserem Treppenflur).
Jetzt mussten wir noch etwas weiter wandern, bis zur Manganu Hütte. Diese Wanderung ist landschaftlich sehr eindrucksvoll, eröffnet sie neben den Blicken auf die hochalpinen Bereiche auch ein Gefühl von Weite, nicht zuletzt wegen der Durchquerung der Ebene Pianu di Campotile, an deren Ende das Refuge de Manganu bereits den Anstieg zur Brèche de Capitello markiert.
Das Refuge war fast voll, dennoch fanden wir einen recht guten, vor allem ebenen Zeltplatz. Super war der rustikale Holztisch mit Holzbänken: Für "ältere Menschen" ist das Kochen und Essen in erhöhter Position durchaus komfortabler J. Wäre es sommerlich warm gewesen, hätten wir sicher noch im Manganubach ein Bad genommen, allerdings war die kalte Dusche auch nicht viel gemütlicher. Doch nachdem die Sonne schon am späten Nachmittag hinter den Bergen verschwunden war, wurde es wieder für diese Jahreszeit viel zu kühl, mit dem zügigen Absinken der Temperaturen zogen wir nach dem Zwiebelschalenprinzip unsere Funktionskleidung an. Eine kalte Nacht stand uns bevor...
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08.07. Etappe 5: Refuge de Manganu - Refuge de Petra Piana
Ich stand als 3. in der Schlange. Hinter der Tür hörte ich das Schnaufen einer männlichen Stimme, gepresste "Ah"- und "Oh"-Laute begleiteten das Duschen. Es waren nicht die Wohlfühllaute einer verdienten warmen Dusche, sondern die reflexartige stimmliche Abwehr gegen das sehr kalte Wasser, das direkt aus dem kalten Bach stammte, der aus großer Höhe mitten durch das Gelände der Refuge de Petra Piana fließt.
Meist sind die Duschen in den korsischen Hütten entlang des GR 20 sehr kalt. Diese Dusche gehörte mit geschätzten 6 Grad zu den kältesten überhaupt. Als die Sonne ihre letzten wärmenden Strahlen hinter den Bergen versteckte, wurde es zudem schlagartig kalt. Und einer war noch vor mir... Meine "Ah"- und "Oh"-Laute gehörten wohl zu den lautesten, aber niemand hörte mir mehr zu. Nach unserer späten Ankunft, der langen Suche nach einem geeigneten, einigermaßen waagerechten Zeltplatz und dem Zeltaufbau waren wir allerdings über die Erfrischung froh...
Landschaftlich gehört diese Etappe mit zu den schönsten des gesamten GR 20. Die großen Schneefelder, die wir während des teilweise steilen Anstiegs vor dem Bocca de la Porte überwinden mussten, waren ein Mal mehr Zeichen des sehr langen und kalten Winters. Zwar deuten die Daten auf eine eher gemütliche Etappe hin, dennoch zog sie nach der Hälfte des Weges in endlosen Kurven und vielen Auf- und Abstiegen entlang teilweise steiler Abgründe bis zur Refuge de Petra Piana hin:
Start: 8:20 / Ankunft: 15:40 / Dauer: 7:20 / Aufstieg 920 m / Abstieg 700 m
Vom Bocca a le Porte eröffnete sich aus 2220 m Höhe ein grandioser Blick auf das Ende des Restonica Tals: Zu unseren Füßen lagen der Capitello- und der Melosee. Die Wanderung entlang eines Grates bis zum Col de Rinoso war erfüllt von Aussichten, die uns regelrecht erschauern ließen. Am Punta Muzella kehrten wir dem Restonica Tal den Rücken zu und stiegen ab zum Refuge de Petra Piana. Abends baute sich hinter den Berggipfeln eine dunkle Wolkenwand auf. Sollte uns auch auf dem zweiten Teil des GR 20 Nord Regen begleiten?
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09.07. Etappe 6: Refuge de Petra Piana - Canaglia (Manganello Tal) - Bahnhof Tattone
Skeptisch blickten die Wanderer auf die Wolken, die sich noch nicht verzogen hatten. Einige starteten schon um sieben Uhr, nachdem gerade unser Wecker geklingelt hatte. Offenbar hofften sie auf stabiles Wetter in den Morgenstunden. Dennoch wirkte die Szenerie bedrohlich: Nördlich von der Petra Piana Hütte, im Bereich des Restonica Tales türmten sich Wolkenberge, ebenso im Süden. Dass sich einige Wanderer in Richtung Norden aufmachten, wunderte uns, denn durch tief hängende Wolken über die Punta de Muzella und den Bocca a le Porte zu wandern, erschien uns nicht gerade ratsam, zumal unter diesen Bedingungen die grandiosen Ausblicke, die wir tags zuvor noch genießen konnten, versagt bleiben würden. Wir schickten den Frühaufstehern die besten Wünsche für ihre Tour mit auf dem Weg, während wir unser Frühstück vorbereiteten und begannen, unser Zelt abzubauen. Unter diesen Bedingungen war die alpine Variante zur Refuge de l'Onda zu risikoreich.
Jetzt zeigte sich das Bergwetter von seiner unberechenbaren Seite: Als ob sich die Wolken verabredet hatten, zog es sich von allen Seiten zu. Gerade noch gelang es uns, unsere Sachen annähernd trocken unter die Behelfsplane des Refuges zu retten. Der Hüttenwirt hatte allerdings versäumt, die Löcher zu flicken, so dass es schwer war einen trockenen Platz zu erobern. Rund eine Stunde mussten wir warten, bis wir uns hinaustrauten und den Abstieg Richtung Manganello Tal wagten. Die Etappe war eigentlich kurz und wegen des Abstiegs nicht besonders anstrengend, sieht man vom Wetter ab, das uns bevorstand:
Start 9:40 / Ankunft Tattone: 15:00 / Dauer 5:20 / Aufstieg: 300 m / Abstieg 1300 m /
von Sebi abgeholt ca. 17:00
Der Abstieg von der Piana Hütte im Bergwechselwetter absolvierten wir tatsächlich im T-Shirt. Die zahl- und wasserreichen Bäche versperrten uns teilweise unseren Weg, Zeichen für die den langen Winter und die anhaltend häufigen Regenfälle. Tatsächlich war das Sonnenintermezzo trügerisch. Das zeigte sich sogleich nach Erreichen der Waldgrenze, Regen setzte ein. Aus dem anfänglichen Nieseln wurde starker Dauerregen. An der Bergerie de Tolla waren wir durchnässt, jetzt galt es nur noch, schnell nach Canaglia und Tattone zu gelangen.
Ein Weiterwandern zum Refuge de l'Onda war spätestens jetzt ausgeschlossen. Zum Glück hatten wir die Möglichkeit abzubrechen und zu unserem Basislager Riva Bella zurückzukehren. In Nähe zur Bergerie de Tolla sahen wir einige Tageswanderer, die versuchten, sich unter Bäumen trocken zu halten, ein eher hoffnungsloses Unterfangen. Zu dem Regen, der die Wege teilweise in Bäche verwandelte, gesellten sich noch einige Gewitter. Wir zählten fünf oder sechs gleichzeitig. Unsere Wanderung wurde zu einem fluchtartigen Bergablauf, das Wasser lief überall hinein: Unter das Regencape, in die Schuhe, in den Rucksack. Dass das Manganellotal mit seinen wunderschönen Badegumpen bei schönen Wetter vielerorts zum Verweilen und Baden einlädt, kannten wir aus Wanderungen vergangener Jahre. Heute galt es, möglichst schnell nach Canaglia und Tattone zu gelangen.
Von Canaglia wanderten wir die Straße bergauf Richtung Tattone. Der Regen hörte allmählich auf. Die Sonne sendete ihre Strahlen in den durchnässten Wald. Die Verdunstung setzte ein, nebelartig stieg die Feuchtigkeit wieder auf. Eine Szenerie, die wir in den Feuchttropen fast tagtäglich erlebt hatten. Hier, auf Korsika, ist das im Hochsommer eigentlich nicht vorstellbar.
Am Bahnsteig in Tattone versuchten wir uns zu trocknen, so gut es ging. Jedoch warteten wir vergeblich auf den Zug nach Corte. Eine Gleisunterspülung in den Bergen hatte den Zug gestoppt. Also wanderten wir zur N198, der Verbindungsstraße zwischen Ajacio, Corte und Bastia. Dieses Mal funktionierten unsere Trampabsichten gar nicht. Vielleicht waren wir auch zu nass, so dass uns keiner in sein Auto lassen wollte.
Hier gilt unser Dank ein Mal mehr dem Neff-Clan, in diesem Fall wieder Sebi, der sich nach unseren Anruf in seinen Golf schwang und uns um 17 Uhr abholte. Inzwischen hatte uns die Sonne teilweise getrocknet. Wir freuten uns auf Riva Bella... Dort hatte es übrigens nicht geregnet. So sollte es auch die nächsten Wochen bleiben: Gewitter und Regen in den Bergen, fast täglich, Sonne und Wärme auf Riva Bella.
Auch wenn wir den GR20 Nord abgespeckt hatten, waren wir dennoch stolz. In einen der nächsten Jahre werden wir Versäumtes nachholen.
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