11.02. – 19.02.: Exklusive Natur im rauen Süden Chiles
Karte 5 (1): 19.02. > Von Punta Arenas zur Fähre nach Feuerland
Karte 5 (2): 12.02. - 18.02. > Mietwagentour Südpatagonien (Chile)
(Punta Arenas - Nationalpark Torres del Paine -
Puerto Natales - Punta Arenas)
Im Land der Schafbarone und in der wilden Natur des Nationalparks Torres del Paine
Wind peitscht von Westen über die südlichen Anden. Er verirrt sich in den zahllosen Fjorden und Meeresarmen, findet aber am Ende immer wieder seine Richtung über die weiten Ebenen, jenseits der Ostseite der Anden, und über die Fjorde, natürlichen Kanäle und Meeresarme der patagonischen Wasserwelt. Den „Vorhof der Hölle“ nannten viele Seefahrer-Generationen jene Meeresstraße, die der Portugiese Fernando de Magallanes am 10. August 1519 im Auftrag des spanischen Königs Karl V ansteuerte. Mit fünf alten und heruntergekommenen Schiffen und 237 Mann Besatzung war er in einen fast zwei Tage währenden Sturm geraten, hier, am Ende der Welt. Ohne zu wissen, was vor oder hinter ihnen lag, trieben sie in jene Meeresstraße, die später nach seinem Entdecker benannt wurde. Einen Monat irrten sie durch die Meeresstraße, das Geschwader war bisweilen kurz vor dem Zerfall, weil eine Meuterei drohte. Hier am Ende der Meeresstraße wehte kein Lüftchen, deshalb führt der Pazifik heute einen eher irreführenden Namen. Denn „Mare Pacifico“ bedeutet übersetzt „Stilles Meer“, das Kap an der Mündungsstelle Capo Deseado (das ersehnte Kap).* Viele andere Namen klingen theatralisch, spätere Seefahrer und Entdecker vergaben Namen, die offenbar das Gefühlsleben der Seeleute widerspiegelten, zum Beispiel „Der Verstopfte Fjord“ (Seno Obstruccion) oder „Fjord geringer Hoffnung“ (Seno Poca Esperanza).
Die südlichste Festlandstadt Chiles, Punta Arenas, war unser nächstes Ziel. Seit der Fertigstellung des Panamakanals zu Beginn des 20. Jahrhunderts büßte die Hafenstadt stark an Bedeutung ein, weil die Schiffe nicht mehr die gefürchtete Magellanstraße passieren mussten. Die „sandige Spitze“ (Punta Arenosa) hat heute 120000 Einwohner. Sie ist ein Schmelztiegel verschiedener Einwanderergruppen, die alle eines gemeinsam haben: Sie mussten den widrigen Bedingungen trotzen, deshalb ist der Stolz, ein Südpatagonier zu sein, allen gemein.
Mitte des 19. Jahrhunderts (Gründung 1848) begann die Geschichte von Punta Arenas als Sträflingskolonie und Militärstützpunkt. Erst 1876 erlaubte die chilenische Regierung den Einwanderern die Profit versprechende Schafzucht, die hier, im Süden Patagoniens auf ideale Bedingungen traf: Weite, schier endlos scheinende Pampa mit Gräsern, Moosen und Flechten waren gute Voraussetzungen für die Produktion des weißem Goldes. Punta Arenas wurde in Kürze zu einer blühenden Stadt. Nicht nur einige prunkvolle Bauten zeugen von dem Reichtum der Stadt zu seiner Blütezeit, sondern auch der einzigartige Friedhof: Prunkvolle Grabstätten und Mausoleen dokumentieren den Reichtum der dominierenden Familien (die Estanzias der Schafbarone erreichten nicht selten Größen von über 10000 ha), deren Namen gleichzeitig den multikulturellen Ursprung verdeutlichen: Kroatische, spanische, deutsche, englische und Namen anderen Länder weisen auf die vielfältige Herkunft der Einwandererfamilien hin.
Heute ist dieser Reichtum verblasst. Der Niedergang der Schafzucht im Zuge der Globalisierung war auch gleichzeitig der Beginn von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der südpatagonischen Region. Verfallende Häuser, Arbeitslosigkeit und auf dem Lande verlassene Estanzias sprechen eine deutliche Sprache. Weil wir in Punta Arenas einen Leihwagen übernommen hatten, konnten wir diese Entwicklung auf unseren Fahrten recht gut beobachten. Aber dennoch herrscht dem Augenschein nach keine Resignation. Auch wenn Südpatagonien einerseits vom zentralistisch organisierten Chile, das sein Zentrum in Santiago hat, nur wenig erwarten kann, ist der aufstrebende Tourismus andererseits eine steigende Einnahmequelle nicht nur für das Hotel- und Gastronomiegewerbe, sondern auch für einige Estancias, die „Ferien auf dem Bauernhof“ anbieten, und so zu der nicht mehr so einträglichen Schafhaltung eine zweite Einnahmemöglichkeit erschlossen haben.
Wir hatten die beschwerliche Anreise nach Südpatagonien mit dem Bus auf uns genommen, weil wir diese klimatischen Extrembedingungen und die unberührte Natur erleben wollten. Diese „Weite“ zu erkunden, ist ein Erlebnis für sich und nochmals eine Steigerung zu dem Gefühl, das wir erfuhren, als wir die Great Plains Nordamerikas durchquerten. Vereinzelt tauchten immer wieder Schafherden auf, Rinder grasten einsam auf den weiten Pampaflächen, dazwischen immer wieder Guanakos (die Wildform der domestizierten Lamas) sowie Nandus. Hauptziel unserer Reise sollte der Nationalpark Torres del Paine sein, laut Meinung eingefleischter Südamerikafans eine der schönsten -einige behaupten sogar, der schönste- Nationalparks weltweit. Leider mussten wir mit einem Nissan Tida vorlieb nehmen, obwohl wir einen Pick Up gebucht hatten, der für die problematischen Straßenzustände im Nationalpark geeigneter gewesen wäre (siehe Download).
Dass wir zuvor eine der Hauptattraktionen in der Mangellanstraße, die Isla Magdalena, von Punta Arenas aus nach einer zweistündigen Bootsfahrt erreichten, gehört zu den Highlights, denn wo kann man eine Pinguinkolonie mit 250000 Tieren besuchen. Die Mangellanpinguine haben auf dieser Insel mitten in der Mangellanstraße ihr Hauptbrutgebiet. Im Herbst (März/April), wenn die Wetterbedingungen zunehmend schwieriger werden, machen sie sich auf ihren langen Weg nach Brasilien, um im Frühjahr (September) zurückzukehren. Sie suchen das gleiche Erdnest wieder auf und treffen dort, sofern die lange Reise von beiden Partnern überstanden wurde, den gleichen Partner wieder.
Wir genossen es, durch das Auto unabhängig zu sein, neben der Magellanstraße entlang zu cruisen und dort anzuhalten, wo wir glaubten, dass sich ein kurzer Stopp lohnen würde. So genossen wir nicht nur die patagonische Landschaft und die Wildheit der Mangellanstraße, sondern beobachteten Fischerboote, die spielerisch von weißen Delphinen begleitet wurden oder wir konnten jene Schiffswracks betrachten, die Zeugen der unberechenbaren Gefährlichkeit der Magellanstraße sind. Dass der weitläufige Nationalpark Torres del Paine nur mit dem Auto umfassend erkundet werden kann, die Startpunkte von den zahlreich möglichen Tageswanderungen zügig nur mit einem Fahrzeug erreicht werden können, waren schlagkräftige Argumente, ein drittes Mal ein Auto anzumieten, allerdings nicht ohne Probleme (siehe Download).
Ob der Torres del Paine wirklich der schönste Nationalpark weltweit ist, mögen andere diskutieren. Auf jeden Fall ist er einzigartig. Er gehört zu den südlichen Ausläufern der Anden, ist insofern ebenso das Ergebnis eines mächtigen Faltungsprozesses, der vor etwa 70 Millionen begann. Die schwere ozeanische Kruste der pazifischen Platte schiebt sich unter die leichtere kontinentale Kruste der südamerikanischen Platte. Deshalb sind Erdbeben und vereinzelte Vulkanausbrüche auch im Süden Chiles möglich.
Gleichwohl unterscheidet sich der südpatagonische Teil der Anden ganz erheblich von den durchschnittlich in weiten Teilen deutlich höheren Andenkämmen im Norden. Ein Grund dafür ist die starke Erosionskraft der Gletscher, die hier in erheblichem Maß die Bergwelt formten. Ergebnis sind abgetragene Berge, zerfurchte Täler, zahlreiche Seen und eine Fjordlandschaft, die ihresgleichen sucht und in dieser Form nur an der kanadischen Pazifikküste und an der Atlantikküste Norwegens zu finden ist.
Die Torres del Paine ragen ähnlich den Türmen des Fitz Roy Massivs spitz aus der Berglandschaft heraus. Sie bestehen aus hartem Granit, konnten so der Erosion am längsten widerstehen und erreichen Höhen zwischen 2600 und 2850 m. Der höchste Berg im Nationalpark ist der Cerro Paine Grande mit 3050 m. Wegen der starken Regenfälle gibt es in einigen Luvlagen Kaltregenwälder (übrigens eine durchaus verbreitete Waldform Südpatagoniens). Obwohl der Nationalpark etwa auf dem 52. Breitengrad Süd liegt (der Nordpendant dazu wäre in etwa Köln), ist seine Gletscherwelt und die der Südpatagoniens einzigartig. Die Zungen reichen ebenso wie die der Gletscher auf argentinischer Seite bis auf Höhen um die 300 m, im Bereich der Fjorde des Pazifiks bis auf 0 m herunter. Der kalte Westwind, der ungehindert über den kalten Pazifik streift, kann aufgrund fehlender Landmassen nicht erwärmt werden, die Temperaturen sind niedriger als auf den entsprechenden Breiten der Nordhalbkugel. So haben die Gletscher Überlebensmöglichkeiten, obgleich die globale Erwärmung auch hier zu einem Rückzug der Gletscher führt. Im Sommer liegen die mittleren Temperaturen bei 11 C und im Winter bei ca. 1 C.
Der Grey-Gletscher am Südrand des Torres del Paine Nationalparkes gehört zum patagonischen Eisfeld (Campo de Hielo Patagónico Sur), dem Nährgebiet vieler patagonischer (Auslass-)Gletscher, und nach den Vereisungsflächen Grönlands und der Antarktis das drittgrößte kontinentale Eisfeld der Erde. Es hat eine Fläche von 13000 km2 (Länge 350 km / Breite 30-40 km / Höhe 0 – 3380 m) und befindet sich mit seinem Zentrum auf dem 50. Breitengrad Süd. Zu dem Eisfeld gehört auch der argentinische Perito-Moreno Gletscher, einem der größten Auslassgletscher (etwa 1/3 der Fläche Hamburgs), den wir von El Calafate aus bewundert hatten.
Nach zwei Tagen Punta Arenas fuhren wir in den Park und fanden einen tollen Campingplatz direkt am azurblauen Pehoesee mit Blick auf die Granittürme der Cumbres und Cuernos. Der Campingplatz hatte pro Stellplatz ein Shelter, so dass wir sicher waren, auch Regentage zu überstehen: Ein toller Anfang! Und wir freuten uns auf den nächsten Tag und auf die Wanderung zu den Torres, ein Muss für jeden Torres-del-Paine-Wanderer. Das in diesem Nationalpark andere Gesetze, zumindest in Bezug auf das Wetter, herrschen, sollten wir am nächsten Tag erfahren (dazu mehr im Download).
Wegen des Wetters, das uns nicht nur Regen brachte, sondern auch winterliche Temperaturen –mitten im Sommer- und eine Schnellfallgrenze von 300 m, brachen wir im wahrsten Sinne des Wortes unsere Zelte ab und wechselten in das rund 120 km im Süden liegende Puerto Natales. Das Hostel hatten wir spontan vom Campinglatz aus gebucht, dazu hatte uns ein netter Campingplatz Mitarbeiter von der Rezeption einen Wifizugang ermöglicht. Wählerisch konnten wir nicht sein, zu viel schien ausgebucht in Puerto Natales, jener 30000 Einwohnerstadt, die im 19 Jahrhundert explosionsartig wuchs, weil Schlachthöfe und Fischfabriken aus dem Boden schossen, und wo in Kneipen und Bordellen Schlägereien, Mord und Totschlag an der Tagesordnung waren. Das Wettschlachten von Robben war das beliebteste Freizeitvergnügen am Wochenende. Puerto Natales ist heute das Eingangstor zum Torres del Paine Nationalpark, von hier starten zahlreiche Touren und Busfahrten in den Park und wir, in unserem klapprigen Nissan Tida.
Auch wenn wir unsere Vorhaben in Torres del Paine nicht in Gänze verwirklichen konnten, weil uns die Kapriolen des Wetters daran hinderten, gewannen wir doch einen hinreichenden Eindruck von diesem grandiosen Park. Wir verließen Puerto Natales und die Torres del Paine mit Erinnerungen an die Schönheit, Wildheit und die Unberechenbarkeit des Wetters und an tolle Wildlife-Erlebnisse, die wir während unserer Durchfahrt genossen. Den Puma von unserem Campingplatz hatten wir allerdings nicht gesehen. Ein anderer deutscher Camper hatte aufgeregt von ihm berichtet. Der Puma tauchte nachts um 23 Uhr unvermittelt drei Meter neben seinem Zelt auf. Der wäre keine Gefahr, so der Campinglatzmitarbeiter von der Rezeption, Unfälle mit Pumas seien praktisch unbekannt. Wir waren uns aber einig, dass wir lieber auf Wildlifeerlebnisse dieser Art verzichten möchten.
Die letzte zwei Tage im guten Nouveau Art Hostal in Punta Arenas genossen wir, wir erkundeten zu Fuß und mit dem Auto die Küste der Magellanstraße und freuten uns auf Ushuaia und Buenos Aires. Dass uns die Busfahrt nach Ushuaia sehr direkt mit den Gefahren der Magellanstraße in Berührung bringen sollte, ahnten wir zum Zeitpunkt der Abreise noch nicht. Es sollte unser letztes Erlebnis in Chile sein.
*Magellan hatte mit seiner Entdeckungsfahrt den ersehnten Seeweg durch den amerikanischen Kontinent gefunden und später die Gewürzinseln im indischen Ozean erreicht. Nur das kleinste Schiff, die Victoria, kehrte zerschunden und verfault mit achtzehn Seeleuten zurück. 219 kehrten nicht zurück, darunter Magellan selber, der auf einer philippinischen Insel von Eingeborenen erschlagen wurde.
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