04.03. – 14.03.:
Brasilien – 10 Tage in Südbrasilien und wir sind Fans
Tour Karte 8: Porto Alegre (Brasilien) bis Curitiba
Zwischen unvergesslichen Landschaftserlebnissen und Wohlfühlmomenten in Hostels
Brasilien, ein riesiges Land, mit verschiedenen Kulturen und Gesichtern, in 10 Tagen wohl kaum zu bewältigen. Wahrscheinlich würden auch drei Monate kaum reichen. Also blieben uns nur, einige Spots zu sehen, und das auch nur im südlichen Teil Brasiliens. Dieser Teil Brasiliens gilt gemeinhin als sicher. Für ganz Brasilien trifft das nicht zu.
Wir schauten, sofern wir tags fuhren, gespannt aus dem Fenster. Die Städte wirkten aufgeräumt, vielerorts gepflegt und offensichtlich mit einer guten Infrastruktur versehen. Andererseits sahen wir auch die hässliche Seite eines Schwellenlandes, nämlich die stark klaffende Schere zwischen arm und reich. In Curitiba fuhren wir am Stadtrand an jenen Favelas vorbei, die manche unmittelbar mit Brasilien in Zusammenhang bringen. Müllsammler, die mit ihren Handkarren zuvor die Stadt durchkämmt hatten, sortierten hier, auf der Suche nach verwertbaren Rohstoffen, ihren Müll.
Aber das hatten wir auch in anderen Ländern Südamerikas gesehen. Überwiegend waren unsere, sicher nicht repräsentativen Erlebnisse, positiv. Bereits der Empfang in Porto Alegre war Sympathie auf den ersten Blick, sieht man von dem Verlust meiner Kreditkarte ab (dazu mehr im Dowload). Porto Alegre präsentierte sich als moderne Stadt. Schon der Busbahnhof gehört nach unserer Einschätzung zu den modernsten in Südamerika. Übrigens gilt dies auch für die anderen Busterminals, die wir kennenlernten.
Wir mussten uns leider mit einem Tagesspaziergang begnügen, weil wir zwangsweise in Chuy eine Nacht verweilen mussten (siehe Bericht Uruguay), und deshalb, nicht wie geplant, bereits den Morgen zuvor in Porto Alegre angekommen waren. So checkten wir in unserem Hotel erst am Morgen des nächsten Tages ein. Wir wurden sehr nett empfangen, konnten endlich eine Dusche nehmen, ein tolles Frühstück mit frischen, exotischen Früchten genießen und noch einige Stunden relaxen, bevor wir um 12 Uhr wieder auschecken mussten. Das Gepäck durften wir sicher im Hotel lassen.
Trotz der langen Busreise, dieses Mal eine Nachtfahrt ohne unsere gewohnten Luxusschlafsessel, waren wir relativ fit. Weil nun Montag war, fiel das Treffen mit Gretel ins Wasser, weil sie arbeiten musste. Wir hatten aber Zeit genug, einen ausgiebigen, wenn auch schnellen Rundgang durch die Altstadt und das Zentrum von Porto Alegre zu machen. Wir mochten diese Stadt und waren positiv überrascht von den gepflegten alten Gebäuden, der Sauberkeit der Straßen und Fußgängerzonen sowie dem pulsierenden Leben, das diese Stadt ausstrahlte. Dass uns beim Studieren unseres Stadtplanes ein netter Mann mittleren Alters seine Hilfe anbot, uns sogar auf Deutsch ansprach, war einerseits überraschend, andererseits leben im Süden Brasiliens relativ viele Deutschstämmige. Der hilfsbereite Mann hatte gerade Mittagspause und befand sich auf dem Rückweg zu seinem Arbeitsplatz, einer Bank. Als er während des Gesprächs zunehmende Sicherheit beim Gebrauch der deutschen Sprache erlangte, verfiel er gleichzeitig in den Dialekt der Herkunftsregion seines Vaters. Es war durchaus skurril, einen Brasilianer hessisch sprechen zu hören.
Die Großstadt ist die Hauptstadt des südlichsten Bundesstaates Rio Grande do Sul. Mit rund 1,5 Millionen Einwohnern (Großraum etwa 4 Millionen) gehört sie eher zu den kleinen Großstädten Brasiliens. Übrigens ist der Bundesstaat Rio do Sul mit knapp 268000 km2 etwas größer als die alte Bundesrepublik Deutschland. Porto Alegre wird ein wichtiger Austragungsstandort der Fußballweltmeisterschaft 2014 sein. Zwei Klubs der Stadt spielen in der ersten Liga Brasiliens, der Sport Club Internacional, bei der 2006 die FIFA-Klub-Weltmeisterschaft siegreich war, und Grêmio FB, der 1983, zu den großen Zeiten des HSV’s, den Weltpokal im Finale gegen den Hamburger SV gewann.
Wir befanden uns jetzt endgültig im subtropischen Klima, was sofort nach dem Ausstieg aus dem klimatisierten Bus spürbar war. Aus packtechnischen Gründen mussten wir immer unsere warmen Bergstiefel anziehen, so dass unsere Füße zu dampfen begannen. Kalendarisch befanden wir uns zwar im Südspätsommer, aber die Klimatabelle zeigt, dass es eigentlich keine richtigen Winter gibt. Dennoch kann der Süden Brasiliens im Südwinter unter südpolaren Einfluss (Winde aus der argentinischen Pampa oder Winde aus den Anden) geraten. So gibt es durchaus bis zu 25 Frosttage im Jahr und auch gelegentliche Schneefälle, die besonders im südbrasilianischen Bergland für weiße Wintermonate von Juni bis August sorgen können.
Monatliche Durchschnittstemperaturen und -niederschläge für Porto Alegre
|
Jan |
Feb |
Mär |
Apr |
Mai |
Jun |
Jul |
Aug |
Sep |
Okt |
Nov |
Dez |
|
|
Max. Temperatur (°C) |
30,2 |
30,1 |
28,3 |
25,2 |
22,1 |
19,4 |
19,7 |
20,4 |
21,8 |
24,4 |
26,7 |
29,0 |
Ø |
24,8 |
Min. Temperatur (°C) |
20,5 |
20,8 |
19,3 |
16,3 |
13,0 |
10,7 |
10,7 |
11,5 |
13,1 |
15,0 |
17,0 |
18,9 |
Ø |
15,5 |
Niederschlag (mm) |
100 |
109 |
104 |
86 |
95 |
133 |
122 |
140 |
139 |
114 |
104 |
101 |
Σ |
1.347 |
7,7 |
7,4 |
6,5 |
6,0 |
5,4 |
4,5 |
4,8 |
4,9 |
5,0 |
6,5 |
7,2 |
7,9 |
Ø |
6,1 |
|
Regentage (d) |
10 |
9 |
9 |
7 |
9 |
10 |
10 |
10 |
9 |
9 |
9 |
9 |
Σ |
110 |
Wassertemperatur (°C) |
25 |
25 |
26 |
25 |
24 |
23 |
22 |
22 |
21 |
22 |
23 |
24 |
Ø |
23,5 |
Luftfeuchtigkeit (%) |
71 |
74 |
75 |
77 |
81 |
82 |
81 |
79 |
78 |
74 |
71 |
69 |
Ø |
76 |
Schon am Abend um 19 Uhr fuhr unser nächster Bus nach Foz do Iguazu. Es war das erste Mal, dass wir zwei aufeinanderfolgende Nächte im Bus verbringen sollten. 14 Stunden standen uns bevor, dieses Mal ebenso nicht in Luxusschlafsesseln, sondern in der gewöhnlichen Semi-Cama-Klasse. Andere Plätze konnten in diesem Bus nicht gebucht werden. Am Abend erlebten wir unsere nächste Überraschung: Der Bus hielt an einer Raststätte, wo es für rund 6 € ein leckeres Buffet gab. In kulinarischer Hinsicht war dies im Vergleich zu Chile, Argentinien und Uruguay ein Highlight. Besser konnte unser Start in Brasilien gar nicht sein. Spätestens jetzt verstanden wir nicht mehr, dass Gustavo und Gretel ihr Land ein wenig unter den Scheffel gestellt hatten. Auch die Ankündigungen, Südbrasilien sei so teuer, hatten sich bis hierhin nicht bewahrheitet. Das sollte auch bis zu unserer Weiterreise nach Costa Rica so bleiben.
Wir bewegten uns kontinuierlich weiter nach Norden, das heißt in diesem Fall in Richtung des Äquators. Foz do Iguazu liegt nur rund 20 südlich des Wendekreises. Deshalb steht hier die Sonne am 21. Dezember, dem Sommeranfang auf der Südhalbkugel, im Zenit (senkrechter Einfallswinkel der Sonnenstrahlen). Zum Vergleich: Foz de Iguazu liegt um 5 Breitengrade näher am Äquator als zum Beispiel Kairo. Während Kairo aber wegen der großen kontinentalen Flächen auf der Nordhalbkugel keine feuchte Meeresluft zugeweht bekommt, profitiert Foz von den Südostpassatwinden, die feuchte Meeresluft vom Atlantik bringen. Deshalb ist Brasilien in diesen Regionen ganzjährig feucht. Im Vergleich zu Porto Alegre wurde es hier noch heißer. Auch während der Nacht fiel das Thermometer nicht unter 250C.
Das war aber nicht der Grund für unseren Besuch von Foz do Iguazu. Vielmehr wollten wir die größten und faszinierendsten Wasserfälle der Welt sehen. Iguazu bedeutet in der Sprache der Indianer großes Wasser (Y=Wasser; guaso=groß). Die Fälle liegen im Grenzgebiet zwischen Argentinien und Brasilien. Auf beiden Seiten befindet sich jeweils ein Nationalpark, insofern mussten wir erneut für einen Tag nach Argentinien ein- und ausreisen. Während man von der brasilianischen Seite einen besseren Panoramablick genießen kann, ermöglicht die argentinische Seite den direkteren Kontakt mit dem wild rauschenden Wasser. Beide Seiten sind mit Boardwalks und Brücken hervorragend erschlossen, der Eintritt dafür ist auf jeden Fall gerechtfertigt.
Der Fluss Iguazù stürzt sich an der Grenze zwischen dem brasilianischen Bundesstaat Paraná und der argentinischen Provinz Misiones über 20 große und weitere 255 kleinere Wasserfälle in die Tiefe. Die Ausdehnung über eine Läge von knapp drei Kilometern ist gigantisch. Einige Fälle stürzen über achtzig Meter in die Tiefe, der größte Teil der Fälle ist rund fünfundsechzig Meter hoch. Dabei sind die Wasserfälle durch einige kleinere und größere Inseln gegliedert. Rund um das weitgehend u-förmige Wasserfallsystem wächst immergrüner Regenwald, der nicht nur durch die häufigen Regenfälle, sondern auch durch die Gischt der Wasserfälle befeuchtet wird. Die Wasserfälle gehören zum UNESCO-Welterbe.
Zweifelsohne gehören die Wasserfälle zu den vielen landschaftlichen Highlights während unserer Reise. Bilder können nur im Ansatz das widerspiegeln, was wir im Kontakt mit diesen Naturgewalten spürten: Ein Mal mehr fühlten wir uns klein, und wir waren dankbar, das erleben zu dürfen. Dabei spielte es kaum eine Rolle, dass der zweite Tag, an dem wir die argentinische Seite besuchten, völlig verregnet war. Dafür hatten wir am Tag zuvor beim Besuch der brasilianischen Seite einen tollen Sonnentag, der uns die besten Lichtverhältnisse schenkte. Gleichwohl hätten wir die Regenbögen, die bei Sonnenschein auf der argentinischen Seite vielerorts zu beobachten sind, gerne gesehen. Eigentlich war es ein Glück, dass wir von drei Tagen vor Ort zwei Sonnentage hatten. Rund zehn Regentage hat jeder Monat, die Regenmengen sind beträchtlich. Etwa 2000 mm Jahresniederschlag sorgen für ein insgesamt ganzjährig humides Klima. Besonders die Sommermonate sind regenreich. Insofern erlebten wir das, was eher der Normalität entspricht. Und da es in Foz dauerhaft warm ist, auch die Nachttemperaturen kaum unter 250C fallen, ist der Regen halb so schlimm.
Übrigens befanden wir uns in etwa auf demselben Breitengrad wie die Atacamawüste in Chile, eine unserer ersten Stationen in Südamerika. Brasilien profitiert in diesen Breiten von den Passatwinden, die viel Feuchtigkeit vom Atlantik bringen (Ostseitenklima). Spätestens in den Anden fallen an den Wind zugewandten Seiten die letzten Regenfälle. Die Leeseiten (Wind abgewandte Seiten) sind hingegen extrem trocken. So bekommt die Atacama keine Feuchtigkeit mehr ab.
Drei Nächte verbrachten wir im Klein Hostel und waren froh über diese Wahl (siehe Download). Die Fahrten zu den Örtlichkeiten sind jedoch recht aufwändig, obwohl das Bussystem des örtlichen Nahverkehrs gut organisiert und billig ist. Vier Unternehmungen absolvierten wir: Itaipustaudamm, Iguazu Fälle (brasilianische und argentinische Seite), Besuch eines Vogelparks. Es war wie schon so oft alles eng getaktet, dennoch verblieb Zeit zur Muße, auch deshalb, weil wir nicht mehr kochen mussten. In Florianopolis wollten wir nur noch das Meer und die Strände genießen. Abends um 17.40 Uhr fuhren wir mit dem Nachtbus nach Florianopolis. Es sollte unsere letzte lange Busfahrt werden.
Der Itaipu Staudamm – Wichtiger Stromproduzent für Brasilien
Wegen der Beteiligung zweier Nationen (Paraguay und Brasilien) wird der Itaipu-Staudamm auch Itaipu Internacional genannt. Bis zur Fertigstellung des Drei-Schluchten-Stausees in der Volksrepublik China im Jahr 2006 war Itaipu bezüglich der Leistung das größte Kraftwerk der Erde überhaupt. Aufgrund der hohen Auslastung der Turbinen bleibt Itaipu hinsichtlich der Jahresenergieproduktion auch nach 2006 an erster Stelle. Das Projekt ist in vielerlei Hinsicht ein Vorhaben der Superlative. Allein die offizielle Bauzeit bis zur endgültigen Fertigstellung währte von 1974 bis 2007. 1982 wurde die 7760 m lange und 196 m hohe Staumauer fertig gestellt, 1991 die 18. Turbine in Betrieb genommen. 2007 wurde das Projekt nach der Erweiterung um zwei weitere Turbinen (geliefert und eingebaut von der Firma Voith Hydro aus Heidenheim) offiziell für beendet erklärt. Der Itaipu Stausee hat mit rund 1400 km2 bei einer Länge von 170 km die doppelte Größe des Bodensees
Die Generatoren haben einen gigantischen Durchmesser von 16 m. Bei voller Auslastung fließt allein durch zwei der insgesamt 20 Generatoren die gleiche Menge Wasser wie bei den nahegelegenen Iguazu Wasserfällen. Entsprechend hoch ist die erzeugte mögliche Leistung von rund 95 Terawattstunden, die 2006 nahezu erreicht wurde. Zum Vergleich: Der Kernreaktor Isar 2 lieferte 2006 als Reaktor mit der weltweit größten Jahresproduktion gerade ein Mal 12,4 Terawattstunden, also nur rund 15% davon. Damit konnte Brasilien nach der Inbetriebnahme 25% des eigenen Strombedarfs decken, heute ist es aufgrund des starken Wirtschaftswachstums nur noch ein Sechstel. Paraguay benötigt nur relativ wenig Strom und exportiert „seinen“ Strom nach Brasilien. Auf diese Weise zahlt Paraguay seine Schulden an Brasilien, das den Staudamm allein finanzierte, ab bzw. erhält dringend benötigte Devisen für die Lieferung.
Die Folgen werden bis heute kontrovers diskutiert. Auf Negativseite steht die Umsiedlung von 40000 Guarani Indianern sowie die Vernichtung wertvollen subtropischen Regenwaldes. Auf der Positivseite wird angeführt, dass tatsächlich umweltfreundlicher Strom in ungeheurer Menge produziert wird.
Florianopolis war zum Ende unseres Brasilienaufenthaltes ein echtes Highlight. Weil wir uns hier durch die Tage trieben ließen, hatten wir echte Muße und passten uns recht einmütig dem familiären Leben in einem unserer Top-Hostels an (siehe Download). Wir sinnierten gar darüber nach, hier ein Appartement zu kaufen, nicht nur zum Selbstbewohnen, sondern auch als Vermietobjekt und Wertanlage. Denn eines ist sicher: Diese Top-Region wird im stark wachsenden Brasilien hohe Preissteigerungsraten zu verzeichnen haben.
Dass wir dabei tolle Strände mit Dünen, Strände in Buchten, eingerahmt von subtropischen Feuchtwald, und eine wunderbare grüne, hügelige Landschaft erlebten, gehört ebenso zu den herausragenden „Wow-Erlebnissen“ unserer Reise. Dazu lebten wir in einem kleinen Appartement mit Kitchenette, Hängematte vor dem überdachten Eingang und genossen das überwiegend schöne Wetter. Der zeitweilige Regen störte uns nicht, selbst einem subtropischen Starkregen, der uns kurz nach unserer Ankunft überfiel und mancherorts für Überschwemmungen sorgte, konnten wir Positives abgewinnen. Er sorgte für eine willkommene Abkühlung.
In Florianopolis endete unserer Südamerikaaufenthalt. Im strammen Tempo hatten wir fünf südamerikanische Länder besucht. Am Ende fuhren wir relaxt mit einer vierstündigen Busfahrt nach Curitiba, wo unser Flug nach Costa Rica startete.
Kultbus wird endgültig zur Strecke gebracht