16.01. – 22.01.
San Pedro de Atacama wird zu einem Geheimtipp
Tour Karte 2: Von Tacna bis Santiago
Von den Wüsten Chiles bis zur Hauptstadt
Verschlafen schiebe ich die Gardine zur Seite. Es ist bereits hell. Ich schaue auf die Uhr: 8 Uhr, also haben wir noch 2 Stunden Zeit, 10 Stunden Fahrt durch Wüste liegen seit Arica hinter uns. Schemenhaft tauchen Häuser auf. Wir sind in Calama, einer Wüstenstadt in der Atacama-Wüste. Ich drehe mich noch einmal um und schlafe tatsächlich wieder ein, während Gitti von dem Stopp gar nichts mit bekommen hat.
Die Fahrt in der Cama Superior Klasse im Turbus war wirklich sehr bequem: Breite Sitze, Liegestellung bei ca. 160 Grad und die Möglichkeit, sich fast auszustrecken. So lässt sich tatsächlich eine zwölfstündige Nachtfahrt überstehen. Dabei hatten wir bei unseren Planungen Nachtfahrten gar nicht in Betracht gezogen.
In Deutschland hatten wir unsere Reiseroute kalkuliert und viele Übernachtungen gebucht. Jetzt holte uns die Realität ein. Denn die Recherche nach geeigneten Busverbindungen war via Internet recht schwierig. Erst vor Ort konnten wir die Gesellschaften, die Verbindungen und die Fahrpläne erfahren.
1200 km durch Wüsten waren von Arequipa bis nach San Pedro de Atacama zu überwinden. Jetzt stellte sich heraus, dass eine Übernachtung in Arica angesichts unserer Zeitplanung nicht möglich war: Denn vom 17.01. bis 19.01. hatten wir das Hostel Nuevo Amanecer gebucht. Zudem war die Zeit für Unternehmungen in der Atacama-Wüste wichtig. Also blieb nur der Nachtbus von Arica nach San Pedro de Atacama. Den konnten wir jedoch nicht in Peru buchen. Als zusätzliches Hindernis gesellte sich die Zeitumstellung von plus 2 Stunden hinzu. Es war also sicher, dass es ein enges Rennen geben würde, um den chilenischen Turbus um 22:15 nach San Pedro zu bekommen.
Der Bus von Moquegua war tatsächlich pünktlich. Am Busterminal in Tacna drängten sich die Backpacker auf der Suche nach einer Fahrgelegenheit nach Arica. Nicht nur gut 60 km waren zu überwinden, sondern auch alle Formalitäten zum Grenzübertritt zu erledigen. In Peru war es noch 17:15 Uhr, in Chile hingegen schon 19:15 Uhr, obwohl beide Länder in etwa auf den gleichen Längengraden liegen. Drei Stunden blieben uns also für den Grenzübertritt, die Orientierung am Busterminal in Arica und den Kauf von Tickets. Wir hofften, noch Plätze buchen zu können.
In Tacna versuchten diverse Taxifahrer uns für eine Fahrt zu aquirieren. Zum Glück trafen wir ein chilenisches Backpackerpaar, das uns in Bezug auf das Procedere aufklärte. Am Busterminal buhlten chilenische und peruanische Taxis um Kunden für eine Fahrt nach Arica. Gemeinsam mit einem amerikanischen Backpackerpärchen, das 6 Monate auf verschiedenen Farmen in Südamerika arbeitete und gerade aus Ecuador kam, entschieden wir uns für die peruanische Variante, weil wir unsere letzten Soles, die wir extra aufgehoben hatten, ausgeben wollten. Rund 14 € zahlten wir für die 60 km Fahrt nach Arica. Dazu lotste uns der Taxifahrer durch alle Grenzformalitäten, was angesichts der Sprachbarriere eine tolle Erleichterung war. Am Ende schütteten wir alle restlichen Soles in seine Tasche, worüber er sich sehr freute. Schließlich hatte er uns so zügig nach Arica gebracht, dass wir um 21 Uhr chilenischer Zeit am Turbusschalter standen und gerade noch zwei nebeneinander liegende Plätze buchen konnten.
Dem Augenschein nach wäre Arica auch nicht zwingend eine Übernachtung wert gewesen. Die Stadt am Pazifik ist sehr belebt, es ist eine Wellensurferhochburg, mehr aber auch nicht. Dafür ist San Pedro de Atacama zu einem unserer Geheimtipps geworden. Gleichwohl war es keine Liebe auf den ersten Blick.
Auch die Busfahrt verlief nicht ganz ohne nächtliche Aktivitäten. So weckte uns der Busbegleiter morgens um 4 Uhr. Den Grund dafür verstanden wir nicht. Als die Fahrgäste aufstanden und sich nach draußen bewegten, schlossen wir uns dem Trott an. Vor dem Bus lag das Gepäck auf einen Haufen, recht unsanft vom Buspersonal auf die Straße geschmissen. Dann klärte sich alles auf: Es war eine nächtliche Kontrolle mitten in der Wüste. Wir mussten das Gepäck auf Rollbänder legen. Das Gepäck wurde ähnlich dem am Flughafen gescheckt. Dann wurde alles wieder eingeladen. Den Grund für diese nächtliche Polizeikontrolle kennen wir bis heute nicht.
Mutig verzichteten wir in San Pedro auf ein Taxi zu unserem Hostel. Laut unseren Informationen sollte es nur etwa 10 Minuten vom Busterminal entfernt sein. Dass wir dann 90 Minuten durch San Pedro liefen, bisweilen die Orientierung verloren hatten und uns im Kreis bewegten, ermüdete mit unserem schweren Gepäck nach der nächtlichen Busfahrt. Keiner kannte die Straße „Los Geisers“ oder das Hostal Nuevo Amanecer. Selbst ein Taxifahrer, mit dem zwei Engländer, die wir im Bus kennengelernt hatten, gefahren waren, musste sich durchfragen. Etwas genervt hatten wir das Hostel dann in einer staubigen Straße gefunden. Die Straße sollte neu sein, sie war, wie viele Straßen in San Pedro nicht befestigt. Dafür war das Hostel top. Das Zimmer war zwar klein, aber sauber. Die Zimmer gingen von einem eng verschachtelten Innenhof ab, so war es relativ kühl. Die Küche war groß, dazu gab es einen gepflegten Essraum. Sofort hatte sich unser Frust gelegt.
Von San Pedro aus werden viele Fahrten organisiert. Noch am gleichen Tag um 16 Uhr fuhren wir zu einer Salzlagune zum Baden und zu einer Lagune, die großteils von Salzkrusten bedeckt war. Dort genossen wir den Sonnenuntergang. Auf dieser Fahrt lernten wir Mel aus Dresden und Salvi aus Barca kennen. Es waren sehr nette Tage mit den beiden. Auch am nächsten Tag trafen wir uns mit ihnen, erst zu einem Ausflug in das Val del Luna (mit „eigenem Pick Up“), zum Sonnenuntergang, anschließend aßen wir in San Pedro, jener gemütlichen Wüstenstadt, die eine tolle, heimelige Atmosphäre hat.
Salvi ist Polizist in Barcelona, Mel arbeitet als Lehrerin mit behinderten Kindern. Wir verständigten uns hauptsächlich auf Englisch. Mel und Salvi haben sich eine Auszeit genommen und reisen sieben Monate als Backpacker durch Südamerika. Wir wünschen den beiden noch eine gute Reise. Vielleicht klappt es mit einem Besuch in Katalonien. Wir würden uns jedenfalls sehr freuen.
In San Pedro wurden uns die Nachteile des Backpackerdaseins so richtig bewusst: Ohne organisierte Fahrten geht nichts. Diese Touren sind oft recht teuer. Zudem ist man abhängig vom Tourverlauf und der Zeitplanung. Für Selbstbestimmung ist da kein Raum. Aber gerade die Wüste eignet sich für selbstbestimmte Fahrten, zumal die Highlights problemlos angefahren werden können, es sei denn, man hat einen Pick Up. Spontan liehen wir uns deshalb bei Europcar einen Chevi Pickup. Über 300 km fuhren wir durch die Wüste, staunten über die Formationen, besuchten Salzlagunen mit einer reichen Vogelwelt, fuhren in die hochandinen Bereiche oberhalb der Atacama auf über 4300 m Höhe, um Lagunen zu sehen, die eingebettet zwischen Fünftausendern liegen und konnten stoppen, als wir eine Vicunaherde in der hochandinen Tundra entdeckten.
Die Farben, die Farbwechsel und die Reflexionen und Spiegelungen der Wüste haben uns beeindruckt. Stille Füße bewegen sich leise über den mit Salzkrusten überzogenen Untergrund, die Stille ist förmlich zu hören. Die Anden schimmern unwirklich im diesigen Hintergrund. In der Salzlagune spiegeln sich klar die Wolken, aus denen es in der Atacama nie regnet. Flamingos, Überlebenskünstler in dieser lebensfeindlichen Landschaft, staksen durch das salzige Wasser, das ihre Körper gleichzeitig scharf abbildet. Diese Bilder haben wir in unserer Erinnerung, einige haben wir versucht, fotografisch einzufangen.
Im Rückblick gehören die Erlebnisse in San Pedro und der umliegenden Atacama mit zu den bisherigen Highlights unserer Reise. Die Tage in San Pedro waren kurz, aber intensiv. Jetzt stand die Weiterfahrt nach Santiago de Chile an. Aufgrund unserer guten Nachtbuserfahrungen entschieden wir uns für die 23-Stundenfahrt mit Turbus, Start um 16:45 Uhr in San Pedro, wieder in der Cama Superior Klasse. Und auch diese Fahrt sollte entspannt und erholsam verlaufen. Allerdings ist der Service im Vergleich zu den peruanischen Cruz del Sur Bussen schlecht. Es gibt kein Essen, keinen Kaffee und kein anderes Trinken. Nur morgens wurde uns eine Papiertüte mit einem Cookie und einem ungenießbaren Pfirsichsaft auf den Platz geworfen. Zum Glück hatten wir uns eingedeckt. Und so konnten wir unser eigenes Frühstück im Bus organisieren.
Im Bus kamen wir dazu, zu schreiben und zu planen. Inzwischen war der Blick aus dem Fenster recht eintönig, bis ca. 800 km vor Chile fuhren wir nur durch Wüste. Danach begann sich die Landschaft langsam zu wandeln: Von Halbwüste und Steppe wechselte die Vegetation zu grünem Grasland, der Baumbewuchs wurde immer dichter. Allerdings beginnt das „grüne Chile“ erst südlich von Santiago.
Drei Nächte hatten wir in Santiago de Chile eingeplant. Routiniert konnten wir inzwischen einschätzen, welches Taxi seriös ist. Unser Hostel Americano lag recht zentral. Wir hatten an unserem Ankunftstag noch ausreichend Zeit, uns zu orientieren. Unser Zimmer war recht klein, die Dusche funktionierte nicht. Dafür hatten wir einen wunderbaren Innengarten, eine Küche und hilfsbereites Personal. Die letzte Nacht schliefen wir nicht mehr Hostel Americana, weil wir wiederum mit einem Nachtbus, dieses Mal um 23:45 Uhr, nach Vildavia starteten. Aber so konnten wir unsere Sachen im Hostel lassen, abends noch gemütlich kochen und essen, duschen und in Ruhe packen – und zuvor noch einen vollen Tag Santiago besichtigen.
Santiago de Chile – Liebe auf den zweiten Blick
Zunächst konnten wir uns mit Hauptstadt Chiles nicht anfreunden. Es war laut, die Luft war wegen der vielen Autos, die offenbar nicht nach der europäischen Abgasnorm fahren, und wegen der teilweise recht engen Straßen sehr schlecht. Doch in dieser Stadt pulsiert es, es gibt viele, moderne Fußgängerzonen, viele, gut renovierte Kolonialbauten und Menschen, denen man die Aufbruchstimmung anmerkt. Im Ergebnis absolvierten wir routiniert unsere Großstadtbesichtigung – und wir lernten so auch die schönen Seiten Santiagos kennen.
Santiago ist das dominante Zentrum in Chile. Rund 5 Millionen der knapp 17 Millionen Einwohner leben hier. Chile ist aufgrund seiner Lage an einer Subduktionszone stark erdbebengefährdet. Die Anden sind das Ergebnis der tektonischen Vorgänge. Es sind äußerst aktive Zonen, in denen auch Vulkanismus eine große Rolle spielt. Am 30.01.13 ereignete sich rund 600 km nördlich von Santiago ein Erdbeben der Stärke 6,7. Tsunamigefahr bestand nicht. Menschen kamen nicht zu Schaden, vor allem weil die Atacamaregion extrem dünn besiedelt ist. Es gibt infolge des Erdbebens offenbar Probleme mit der Stromversorgung und dem Telefonnetz. Noch vor kurzem waren wir in dieser Region. Jetzt, in Valdivia, haben wir davon nichts mitbekommen.
Der erste Tag in der Region Santiago gehörte einem Besuch von Valparaiso, einer lebhaften Hafenstadt, die, bunt und schillernd, teilweise recht steil die Küstenhänge hinaufgebaut ist. Zunächst teilten wir nicht die Begeisterung für diese Stadt, die uns von anderen Backpackern zugetragen wurde. Auf unseren üblichen Fußmärschen entdeckten wir dann einen Stadtteil, der wirklich sehenswert ist: Das Künstlerviertel, bunt, schillernd, lebendig und auf dem Sprung, Valparaiso zu einer modernen Stadt zu entwickeln.
Valparaiso hat knapp 280.000 Einwohnern, im Großraum leben rund eine Million Menschen. Die Stadt ist Sitz des chilenischen Kongresses. Die Stadt gilt als kulturelle Hauptstadt Chiles. Im Juli 2003 wurde der historische Stadtkern mit seiner Architektur aus dem 19. und 20. Jahrhundert von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
Wir hatten kurzfristig umdisponiert. Temuco wollten wir meiden, weil es in der „Mapuche-Hauptstadt“ zu Unruhen gekommen war. Die Indianer dieser Region kämpfen nach wie vor für ihre Rechte. Über eine Million leben noch im chilenischen Seengebiet. Sie stellen somit eine bedeutende Bevölkerungsgruppe dar. Die Mapuche sind die einzige indigene Bevölkerungsgruppe Amerikas, die sich erfolgreich gegen die kolonialen Machthaber gewehrt und sich die regionale Unabhängigkeit bewahrt hat. Temuco ist ihre heimliche „Hauptstadt“. Die Mapuche wollen unter anderem rechtlichen Ausgleich für die rechtswidrigen Enteignungen unter den konservativen Diktator Pinochet erreichen.
Wir verließen Santiago am 22.01. kurz vor Mitternacht. Am Busbahnhof herrschte ein derart reges Treiben, dass wir uns durch die Menschen, die mit dem wichtigen Verkehrsmittel „Bus“ reisen wollte, hindurchkämpfen mussten. Wir gesellten uns zu ihnen und warteten geduldig auf unseren Bus nach Valdivia. Übrigens: Die nächtliche Busfahrt war wiederum recht erholsam – allmählich gewöhnen wir uns an das Schlafen im Bus.
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