22.01. – 31.01.
Mit gemischten Gefühlen durch das chilenische Seengebiet
Tour Karte 3 (1): Von Santiago (Chile) nach Bariloche (Argentinien)
Tour Karte 3 (2): Campingtour durch das chilenische Seengebiet
Zwischen lieblicher Landschaft und imposanten Vulkankegeln
Wie aus dem Nichts tauchte der Vulcano Villarrica auf. Die große Schneekappe schmückt den 2847 m hohen Kegel. Kontrastreich macht er auf sich aufmerksam und grenzt sich gegen seine grüne, nur 200 – 300 m hohe Umgebung und gegen den tiefblauen Himmel ab. Ebenso sind die vielen tiefblauen Seen ein Übrigbleibsel der letzten Eiszeit, die vor 16000 Jahren ihr Ende fand und eine ähnliche Landschaft wie im östlichen Schleswig-Holstein oder wie in Mecklenburg-Vorpommern hinterlassen hat. Diese letzte Eiszeit wird gemäß der Ausdehnung der Gletscher in Chile Llanquihue-Kaltzeit genannt. Wir freuten uns auf eine Woche Unabhängigkeit mit dem Leihwagen und darauf, das erste Mal unser Zelt einzusetzen.
Am Busbahnhof in Valdivia hatten wir einige Stunden zuvor routiniert unser Gepäck nach dem Entladen für den Fußmarsch vorbereitet. Bevor wir die Europcar-Station aufsuchten, orientierten wir uns am Busterminal. Im Lonely Planet wurde vor Dieben im Busterminal gewarnt. Entsprechend hatten wir uns wieder gesichert: Verschlossener Packsafe (Sicherheitsbauchtasche), Kamera am Hüftgurt und Reißverschluss mit Karabiner gesichert und die Rucksäcke waren mit Schlössern versehen. Es war jedoch alles so friedlich, dass wir uns kaum vorstellen konnten, hier bestohlen zu werden.
In Santiago hatten wir keine Informationen bekommen, wie wir in einer Woche weiter nach Bariloche kommen würden. Tatsächlich hatten wir die Busgesellschaft Andesmar in Santiago nicht gesehen. Andesmar war jedoch die einzige Gesellschaft, die von Valdivia nach Bariloche fuhr. Deshalb kauften wir gleich vor Ort unser Ticket für die Weiterfahrt nach Argentinien. Weil es im Turbus mal wieder kein Frühstück gegeben hatte, holten wir das im Busterminal nach. Von unserer Bank aus konnten wir auf den Rio Calle Calle blicken. Entlang seiner Promenade gingen wir nun zur Mietwagenstation, die im Foyer des besten Hotels Valdivias ist. Vor Ort bekamen wir den Leihwagen 2 Stunden vor dem vereinbarten Übernahmetermin.
So erreichten wir rechtzeitig unseren Campingplatz Camping Gerber in Chauquen am Lago Panguipulli sechs km entfernt vom gleichnamigen größeren Nachbarstädtchen. Im Ergebnis enttäuschten uns die nächsten zwei Tage, weil wir nicht wie erhofft wandern konnten. Denn wir bekamen nur sehr spärliche Informationen in den Tourismusbüros, Kartenmaterial gab es gar nicht. An den Eingängen zu den „Parques Nacional“ solle es Karten geben, so wurde uns mitgeteilt. Doch sowie wir uns abseits der Hauptverkehrswege befanden, wurden die Straßen, die durchaus als Straßen auf den Karten markiert waren, immer schlechter. Unser Mazda 2 kämpfte sich zwar tapfer die teilweise sehr steilen Straßen hinauf, aber Schlaglöcher und Untergrund waren insgesamt so gravierend, dass sie eigentlich nur für geländegängige Fahrzeuge geeignet sind. Als wir uns auf einer solchen unbefestigten Straße vom Südosten dem Vulkan näherten, um zu einem Wanderweg zu gelangen, der uns zu einem Vulkangletscher führen sollte, kamen uns Crossmotorräder und Quads im Wettkampftempo entgegengerast. Jetzt war der Zeitpunkt zum Umkehren endgültig gekommen. Stattdessen machten wir halt an einer der vielen Thermalquellen, um für 20000 Pesos (~32 € !!) ein kurzes, warmes Bad am Fuße des Vulkans zu nehmen. (Übrigens: In Chile wird dieser Motorsporttourismus „ecotourismus“ (nachhaltiger Tourismus??) genannt.
Von den Ortschaften hat uns nur Pucón, am Fuße des Villarricas, gefallen: Gepflegt, sauber und mit einem ansehnlichen Stadtbild. Mit Abstrichen gilt das auch für Villarica. Von Pucón aus fuhren wir zur Skistation des Vulkans auf 1300 m Höhe. Auch diese Straße entpuppte sich im oberen Drittel als Weg für SUV’s, Pick Ups oder Jeeps. Wir waren froh, dass der Mazda alles schadlos und klaglos überstand. Denn die Mietbedingungen verbieten den Einsatz des Fahrzeuges auf unbefestigten Straßen.
Dennoch: Am nächsten Tag starteten wir einen weiteren Versuch, dieses Mal zum Vulkan Choshuenco (2415 m). Nach einer sehenswerten Tour entlang des Lago Panguipulli bogen wir rechts nach Choshuenco, um der auf der Karte eingezeichneten Straße zum Vulkan zu folgen. Auch dieses Mal verschlechterte sich der Zustand der Straße nach Verlassen der kleinen Ortschaft Choshuenco am Südzipfel des Lago Panguipulli zusehends. In Staub gehüllt fuhr der kleine Mazda tapfer den Vulkan hinauf, als uns plötzlich eine weitaus größere Staubwolke entgegenkam. Hupend tauchte daraus wie aus dem Nichts ein großer LKW auf, der dicke Baumstämme transportierte und wegen der Steigung nur im Schritttempo fuhr. Ehrfurchtsvoll fuhren wir einige hundert Meter rückwärts, bis die Straße zum Passieren breit genug war. Kurz darauf folgte ein zweiter Holztransporter. Wir beschlossen umzukehren.
So setzten wir unsere Sightseeing Tour fort, fuhren stattdessen nach Puerto Fuy, einer unansehnlichen Siedlung am farbenfrohen Lago Piruheico. Von dort fahren Schiffe den langgezogenen See nach Puerto Piruheico. Von Puerto Piruheico sind es nur noch wenige Kilometer bis Argentinien. Auf dem Rückweg entschädigten wir uns mit einem Spaziergang zu den rauschenden „Saltos Huilo Huilo“ (Wasserfälle) am Rio Fuy. Übrigens: Die Straße nach Puerto Fuy war wieder unbefestigt.
Das Seengebiet in Chile liegt zwischen 390S und 410S. Auf der Nordhalbkugel liegt auf diesem Breitengrad in etwa Süditalien oder Lissabon. Wir waren im Januar dort, was dem Juli auf der Nordhalbkugel entspricht. Entsprechend intensiv ist die Sonnenstrahlung. Gleichwohl sind die Tage nicht ganz so heiß wie im Süden Europas, die Nächte sind vergleichsweise besonders kühl. Die ersten beiden Nächte sank das Thermometer gar auf etwa 60C. Grund für dieses Phänomen ist der kalte Humboldtstrom, der kaltes Pazifikwasser an die Küste führt. Der vorherrschende Westwind wird abgekühlt und sorgt deshalb für kühlere Temperaturen, vor allem in der Nacht.
Wir fuhren nun nach Süden. In Puerto Varas kauften wir ein. Dieser Teil des Seengebietes war bevorzugtes Einwanderungsgebiet von Deutschen. Viele Namen wie Mercedes Kaufmann, Elektro Horn oder das Restaurant zur Wassermühle zeugen davon. Die Campingplatzbetreiberin unseres ersten Campingplatzes in Ensenada heißt Steinert. In Puerto Varas gibt es einen Club Aleman, dessen Emblem den deutschen Adler beinhaltet.
Der Vulkan Osorno ist noch beeindruckender als der Villarrica. Von Puerto Varas hebt sich der Kegel am Horizont des Lago Llanquihue heraus. Dorthin wollten wir, und endlich sollte es auch mit einer Wanderung klappen. So steuerten wir Petrohué an, das am Westzipfel des 30 km langen, tiefblauen Lago Todos Los Santos direkt am Fuß des Osorno liegt. Direkt am See gibt es einen CONAF-Campingplatz (CONAF ist die Nationalparkverwaltung). Abgesehen davon, dass der Platz voll war (es war Wochenende), nahmen wir von dem Angebot, irgendwo noch eine freie Ecke besetzen zu können, Abstand. Grund: Der gesamte Vulkankegel bestand bis zu seinem Fuß aus Asche und feinstem Aschestaub. Unser Zelt wollten wir darauf nicht aufbauen. Alle unsere Sachen wären komplett eingestaubt worden. So fuhren wir nach Ensenada und fanden mit einigem Glück einen Campingplatz (Casa de Campo), der, wie wir es an anderen Stellen in Chile bereits festgestellt hatten, mit 30000 Pesos (~47 € für 2 Nächte) recht teuer war, ohne dass die Leistung stimmte (davon mehr im Download). Die letzten zwei Nächte im Zelt entschädigten uns für das, was anfänglich nicht nach unseren Vorstellungen verlaufen war: Am Campingplatz Playa Hermosa standen wir direkt am Strand und genossen den Blick auf den Llanquihue und den Osorno während unserer Mahlzeiten. Grandios!
Was das Wandern durch lose Asche und feinen Aschesand bedeutet, erfuhren wir bei unserer ersten Wanderung vom CONAF-Campingplatz in Petrohué aus: Die 800 Höhenmeter waren gefühlt einige Meter mehr, der Staub tat ein Übriges. Andererseits entschädigte uns der Ausblick über den See, auf andere Vulkane und auf den 3874 m hohen Mount (Cerro) Tronador. Am zweiten Tag fuhren wir, dieses Mal auf einer geteerten Straße in das Skigebiet von Osorno. Von dort wanderten wir knapp 600 Höhenmeter zur Bergstation des Skigebietes, während die meisten den teuren Lift nahmen, bis zu einer Schneezunge. Die Ausblicke auf die im Osten liegenden Höhenzüge der Anden, auf den Lago Llanquihue und auf das Sahnehäubchen des Osornos waren grandios. Zurück liefen wir durch den Aschesand den Berg hinab und waren tatsächlich schneller als die zugegebenerweise recht veralteten Sessellifte.
Als wir an der Schneezunge unsere Brote aßen, sahen wir durch das Fernglas zwei Wanderer vom Gipfel des Osornos absteigen. Sie waren in Winterkleidung gehüllt und hatten offenbar Schneeschuhe an. Aber der Gipfelsturm ist nur mit Guide oder zumindest entsprechenden Ortskenntnissen sowie der Ausrüstung zu bewältigen. Als wir am Abreisetag in Puerto Varas einen guten Kaffee – meist gab es Instantkaffee - genossen, waren wir uns einig: Hier könnte man durchaus noch ein wenig länger verweilen.
Zügig fuhren wir nach Valdivia, schwenkten noch kurz zum Pazifik, von der Kunstmann Brauerei („Das gute Bier“), um tatsächlich genau um 15 Uhr die Europcarstation zu erreichen. Das viel zu teure und muffige Hotel Grandecasa wollen wir schnell vergessen. Valdivia ist auch kein Ort, der zum längeren Verweilen einlädt. So fiel uns der Abschied am machten ein Foto nächsten Morgen nicht schwer. Vom Hotel aus gingen wir in 2 Minuten zum Busterminal und verließen Chile mit gemischten Gefühlen.
Mit einer Fahrt durch eine „Aschelandschaft“ endete unsere Fahrt durch Chile. Gestartet waren wir um 9:00 Uhr in Valdivia. Die kürzeste Verbindung führte uns durch den Norden der Region Los Lagos im Süden am Lago Puyehue vorbei. Kurz dahinter beginnt jenes Gebiet des „Parque Nacional Puyehue“, das 1960 durch eine gewaltige Eruption des Vulkans Puyehue (2240 m) nachhaltig verändert wurde. Auf 107000 ha wurde ein immergrüner Feuchtwald weitgehend zerstört. Heute sind die verkohlten Baumstümpfe zu sehen, die bizarr in einer überwiegend kahlen, mit Sand und Asche bedeckten Landschaft stehen, als ob sie vor dem brodelnden Inneren warnen wollen. Teilweise recken schüchtern einige Bäume ihre grünen Blätter und Zweige aus der hellen Aschelandschaft. Jetzt, nach rund 50 Jahren, beginnt die Natur langsam, Puyehue wieder in Besitz zu nehmen.
Nach sechs Stunden erreichten wir Bariloche. Wir fühlten uns nach dem Grenzübertritt plötzlich in einer anderen Welt und waren gespannt auf die „Schweiz Argentiniens“.
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